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Anatomie für die Pflegeassistenz: Das Nervensystem

21.05.2025


INHALT

Der Zweck des Nervensystems
Das zentrale Nervensystem
Einteilung des Nervensystems
Aufgaben des Nervensystems
Lage des Nervensystems
Die 2 Zelltypen des Nervensystems
Das Neuron
Aufbau einer Nervenzelle
Die Gliazelle
Oligodendrozyten
Die graue und die weiße Substanz
Die Substantia nigra
Ranviersche Schnürringe
Der Weg der Informationsweiterleitung von Neuron zu Neuron
Neurotransmittersubstanzen
Depressio – Serotonin, Noradrenalin und Dopamin
Das Gehirn
Afferente und efferente Nerven
Das periphere Nervensystem
Die Hirnhäute
Die Liquorflüssigkeit
Die Gehirnkammern
Das vegetative und das sensorische Nervensystem
Die Pyramidenbahnen
Das Großhirn
Die Großhirnrinde
Cortex: Funktionsbereiche und Rindenfelder
Das Limbische System
Das Zwischenhirn
Der Epithalamus
Das Kleinhirn
Das Stammhirn
Das Mittelhirn
Verlängertes Rückenmark
Das Rückenmark
Reizleitung
Arten der Reizweiterleitung
Reflexe


Der Zweck des Nervensystems

Das Nervensystem ist ein lebenswichtiges Steuerungssystem, das die Anpassung des Körpers sowohl an die äußeren Umweltbedingungen als auch an die inneren Abläufe im Körperinneren reguliert. Es ermöglicht eine ständige Abstimmung zwischen Reizen, die von außen auf den Körper einwirken, und Prozessen, die im Inneren des Organismus ablaufen.

Das Nervensystem steuert alle lebenswichtigen Körperfunktionen und ermöglicht Reaktionen auf innere und äußere Reize.

Diese Reize werden über spezialisierte Rezeptoren – also Sinneszellen für z. B. Temperatur, Druck oder Schmerz – aufgenommen und in elektrische Signale umgewandelt. Dieser Vorgang wird als Umformung in Erregung bezeichnet, wobei ein sogenanntes Aktionspotenzial entsteht.

Das Aktionspotenzial wird dann über Nervenbahnen zu den zentralen Bereichen des Nervensystems (wie Gehirn und Rückenmark) weitergeleitet. Dort erfolgt eine Koordination und Auswertung dieser Informationen. Auf dieser Basis entsteht eine Reaktion des Körpers.

Das zentrale Nervensystem

Zentrales Nervensystem:
• Gehirn (im knöchernen Schädel)
• Rückenmark (im Wirbelkanal)

Beide Strukturen werden vom Liquor umspült und sind von Gehirnhäuten umgeben.

Aufgabe des ZNS: Reizverarbeitung und Reaktion

Einteilung des Nervensystems

Das Nervensystem des Menschen lässt sich in zwei große Bereiche unterteilen:
• willkürliches Nervensystem
• autonome Nervensystem

Das willkürliche Nervensystem ist für bewusste, gezielte Bewegungen sowie für die bewusste Wahrnehmung zuständig. Es gliedert sich wiederum in zwei Komponenten:
zentrales Nervensystem (ZNS)
peripheres Nervensystem (PNS).

Zum zentralen Nervensystem gehören das Gehirn und das Rückenmark. Diese Strukturen sind für die Verarbeitung von Informationen, die Planung von Bewegungen und die Steuerung kognitiver Leistungen verantwortlich.

Das periphere Nervensystem besteht aus allen Nervenbahnen, die außerhalb des ZNS (also von Gehirn und Rückenmark) verlaufen. Es leitet Informationen aus dem Körper an das ZNS weiter und überträgt Befehle vom ZNS an Muskeln und Sinnesorgane.

Im Gegensatz dazu arbeitet das autonome Nervensystem weitgehend unbewusst. Es kontrolliert lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Verdauung und Stoffwechsel – unabhängig vom Willen des Menschen. Es ist unterteilt in:
• Sympathikus
• Parasympathikus

Der Sympathikus wirkt aktivierend und bereitet den Körper auf Leistung und Stressreaktionen vor (z. B. „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion), während der Parasympathikus beruhigend und regenerierend wirkt (z. B. Förderung der Verdauung, Senkung der Herzfrequenz).

Anatomisch entspringt der Parasympathikus im Hirnstamm und im sakralen Rückenmark, der Sympathikus hat seinen Ursprung im Brust- und Lendenmark; beide stehen über Nervenbahnen mit den Organen in Verbindung.

Aufgaben des Nervensystems

• Reizaufnahme
• Reizweiterleitung
• Reizverarbeitung

Das Nervensystem hat die Aufgabe, Informationen aus der Umwelt und dem Körperinneren aufzunehmen, weiterzuleiten und schließlich zu verarbeiten. Diese drei grundlegenden Funktionen – Reizaufnahme, Reizweiterleitung und Reizverarbeitung – ermöglichen es dem Organismus, auf innere und äußere Reize angemessen zu reagieren und sich an wechselnde Bedingungen anzupassen.

Beteiligt an diesen Prozessen sind verschiedene Teilsysteme des Nervensystems, die in ihrer Funktion eng miteinander verbunden sind. Das sogenannte animalische Nervensystem umfasst zum einen das zentrale Nervensystem (ZNS), das sich aus Gehirn und Rückenmark zusammensetzt. Es ist für die Verarbeitung der aufgenommenen Reize und die Steuerung willkürlicher Bewegungen zuständig. Zum anderen gehört zum animalischen Nervensystem das periphere Nervensystem (PNS), das alle außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegenden Nerven umfasst. Es leitet Informationen von den Sinnesorganen zum ZNS und Befehle vom ZNS zu Muskeln und Organen.

Ergänzt wird das animalische Nervensystem durch das vegetative (auch autonome) Nervensystem, das für die unbewusste Regulation lebenswichtiger Körperfunktionen verantwortlich ist. Dazu zählen unter anderem die Steuerung von Atmung, Herzschlag, Verdauung und Stoffwechsel. Das vegetative Nervensystem unterteilt sich wiederum in den Sympathikus, der den Körper in Stresssituationen aktiviert, und den Parasympathikus, der für Ruhe, Erholung und Regeneration sorgt.

Lage des Nervensystems

Das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, ist durch verschiedene Strukturen umfassend geschützt und befindet sich gut eingebettet innerhalb des Körpers. Das Gehirn liegt im Schädel und ist dort vom knöchernen Schädel umgeben, der als äußere Schutzschicht dient. Zusätzlich ist es in mehrere Schichten von Hirnhäuten (Meningen) eingehüllt, die weitergehenden mechanischen Schutz bieten und am Stoffaustausch beteiligt sind. Zwischen den Hirnhäuten befindet sich der sogenannte Liquor cerebrospinalis (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit), der das Gehirn wie ein Stoßdämpfer umgibt.

Auch das Rückenmark liegt gut geschützt im Wirbelkanal, der von den knöchernen Wirbelkörpern gebildet wird. Wie das Gehirn ist auch das Rückenmark von den drei Hirnhäuten umgeben – Dura mater, Arachnoidea und Pia mater –, zwischen denen sich ebenfalls Liquor befindet. Dieser Flüssigkeitsraum schützt das Rückenmark vor mechanischen Einflüssen und dient gleichzeitig der Versorgung mit Nährstoffen sowie dem Abtransport von Abfallstoffen.

Schädelknochen, Hirnhäute und Liquor sorgen dafür, dass die empfindlichen Strukturen des zentralen Nervensystems vor Verletzungen, Erschütterungen und Infektionen bewahrt werden. Blutgefäße und die Blut-Hirn-Schranke ermöglichen zusätzlich eine gezielte Versorgung des ZNS mit Nährstoffen, während sie gleichzeitig schädliche Substanzen fernhalten.

Die 2 Zelltypen des Nervensystems

Das Nervensystem besteht aus zwei grundlegenden Zelltypen, die eng zusammenarbeiten, um die Reizleitung, -verarbeitung und -weitergabe zu ermöglichen:
• Nervenzellen (Neuronen oder Ganglienzellen)
• Gliazellen oder Neuroglia

Die Gliazellen übernehmen als spezialisiertes Bindegewebe verschiedene unterstützende Funktionen. Sie bilden unter anderem die Myelinscheide, welche die Axone (veraltet: Neuriten) elektrisch isoliert und somit die schnelle Reizweiterleitung ermöglicht.

Aufbau der Nervenzelle:
Jede Nervenzelle besitzt einen Zellkörper (Perikaryon, Soma), in dem sich der Zellkern und die wichtigsten Zellorganellen befinden. Vom Zellkörper gehen mehrere kurze Fortsätze, die sogenannten Dendriten, aus, welche eintreffende Reize aufnehmen und zum Zellkörper weiterleiten. Zusätzlich verfügt jede Nervenzelle über einen langen Fortsatz, das Axon (veraltet: Neurit), über das elektrische Signale in Richtung anderer Nervenzellen oder Muskelzellen weitergeleitet werden.

Dendriten empfangen elektrische Signale, Axone leiten diese weiter zu anderen Neuronen.

Das Neuron

Ein Neuron (Nervenzelle) ist eine spezialisierte Zelle des Nervensystems, deren Hauptaufgabe darin besteht, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und an andere Zellen weiterzuleiten. Sie bestehen aus einem Zellkörper (der den Zellkern enthält), Dendriten (auf denen Synapsen sitzen), einem Axon (das von Myelinscheiden umringt ist und auf dem sich die Ranvier’schen Schnüre befinden) und Kollaterale (auf denen wiederum Synapsen sitzen).

Anders als andere Körperzellen besitzen Nervenzellen nicht die Fähigkeit zur Zellteilung. Lange Zeit galt daher die Annahme, dass die maximale Anzahl an Nervenzellen im zentralen Nervensystem bereits bei der Geburt festgelegt sei und im weiteren Verlauf des Lebens nicht mehr zunimmt. Diese Sichtweise ist heute nur noch eingeschränkt gültig. Neuere Forschungsergebnisse belegen, dass in bestimmten Bereichen des Gehirns auch im Erwachsenenalter eine begrenzte Neubildung von Nervenzellen stattfinden kann (Neurogenese).

Die Funktionstüchtigkeit des Nervensystems beruht auf der Fähigkeit der Nervenzellen, elektrische Impulse zu erzeugen und chemisch über Synapsen weiterzuleiten. Dies ermöglicht eine schnelle Kommunikation zwischen Gehirn, Rückenmark und dem restlichen Körper.

Wie jede Zelle besitzt auch die Nervenzelle (Neuron) Organellen (das sind Zellbestandteile: z. B. Zellkern), welche im Zellkörper (Perikaryon, Soma) liegen.

Jedes Neuron hat am Zellkörper viele baumartige Dendriten, an denen Informationen von anderen Neuronen empfangen und über einen langen Fortsatz (Axon, Neurit) erneut an andere Neurone weitergeleitet werden – bis zu 10.000 pro Neuron.

Am Ende verzweigt sich das Axon in Kollaterale, die Kontaktstelle zu einem anderen Neuron. An der Synapse wird die Information mit Hilfe von Neurotransmittern (chemischen Botenstoffen) an das nächste Neuron übermittelt.

Synapsen sind tellerartige Verbindungsstellen zwischen Neuronen, an denen die Reizweiterleitung durch Neurotransmitter (chemische Botenstoffe) erfolgt. Sie sitzen sowohl an den Kollateralen von Axonen als auch an den Dendriten. Synapsen tauschen chemische Botenstoffe (viele davon werden im endokrinen System Hormone genannt) zur Reizweiterleitung aus.

Aufbau einer Nervenzelle

Eine Nervenzelle (Neuron) ist die funktionelle Einheit des Nervensystems. Sie besteht aus verschiedenen Bestandteilen:

Die Dendriten sind Fortsätze des Neurons, die über Synapsen Reize in Form von chemischen Botenstoffen von anderen Nervenzellen empfangen, in elektrische Impulse umwandeln und an den Zellkörper weiterleiten. Vom Zellkörper aus wird der elektrische Reiz über das Axon, eine lange Fortleitung, und die Synapsen zu anderen Nervenzellen weitergeleitet. Das Axon ist von einer Myelinschicht umgeben, einer fettigen Schicht, die das Axon schützt, isoliert und die Signalübertragung beschleunigt. Diese Myelinschicht wird von spezialisierten Gliazellen, den sogenannten Schwann-Zellen im peripheren Nervensystem (PNS) bzw. Oligodendrozyten im zentralen Nervensystem (ZNS), gebildet. Die Gliazellen stützen nicht nur das Axon, sondern ermöglichen auch die schnelle und effiziente Weiterleitung von Signalen.

Dendriten empfangen chemische Botenstoffe von anderen Nervenzellen und wandeln diese in elektrische Impulse um. Axone leiten diese elektrischen Impulse an die Synapsen weiter, die sie wieder in chemische Botenstoffe umwandeln und an die Dendriten der nächsten Nervenzelle weiterreichen.

Synapsen sitzen sowohl auf den Dendriten als auch auf den Axonen (auf den Kollateralen).

Schwann-Zellen sind spezialisierte Gliazellen im peripheren Nervensystem, die die Myelinschicht auf den Axonen bilden. Im zentralen Nervensystem übernehmen diese Aufgabe die Oligodenrozyten.

Nervenzelle
Bild 1

Gliazellen sind jedoch nicht direkt an der Reizleitung beteiligt. Sie übernehmen unterstützende Funktionen im zentralen Nervensystem (ZNS) und peripheren Nervensystem (PNS). So sind sie etwa essenziell für die Stützung der Neuronen, die Bildung von Myelinscheiden, den Stoffwechsel und die Transportprozesse innerhalb des Nervensystems. Darüber hinaus spielen Gliazellen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr und der Aufrechterhaltung der Blut-Hirn-Schranke.

Die Blut-Hirn-Schranke ist eine Schutzbarriere, die das Gehirn vor toxischen Substanzen abschirmt, die sich im Blut befinden.

Gebildet wird Blut-Hirn-Schranke durch spezialisierte Zellen im Gehirn und Rückenmark.

Die Gliazelle

Im menschlichen Gehirn befinden sich etwa eine Billion Gliazellen, was ungefähr der zehnfachen Anzahl von Nervenzellen entspricht. Die Gliazellen bestehen im Gehirn zu 80 Prozent aus Astrozyten, das sind sternförmige Zellen mit langen Ausläufern. Daneben gibt es zwei weitere Gliazelltypen: die Mikroglia und die Oligodendrozyten.

Früher ging man davon aus, dass Gliazellen lediglich eine stützende oder „klebende“ Funktion für Nervenzellen erfüllen – daher auch die Bezeichnung „Leimfunktion“. Heute weiß man jedoch, dass Gliazellen weit mehr leisten. Sie übernehmen wichtige Aufgaben in der Informationsverarbeitung im Gehirn und tragen wesentlich zur Kommunikation zwischen Nervenzellen bei.

Neuronen leiten Reize weiter, Gliazellen schützen die Nervenzellen und unterstützen die Kommunikation zwischen ihnen.

Eine ihrer zentralen Funktionen besteht darin, Neurotransmitter – also chemische Botenstoffe – aus dem synaptischen Spalt aufzunehmen. Darüber hinaus sind Gliazellen sogar in der Lage, selbst Neurotransmitter freizusetzen. Diese werden von den benachbarten Nervenzellen erkannt und verarbeitet, was zeigt, dass Gliazellen aktiv am neuronalen Informationsaustausch beteiligt sind. Damit haben sie eine bedeutende Rolle in der Regulation und Feinabstimmung neuronaler Netzwerke.

Oligodendrozyten

Oligodendrozyten sind spezialisierte Zellen des zentralen Nervensystems, die sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark vorkommen. Sie umschließen die Axone der Nervenzellen und bilden dabei die Myelinscheide, die eine schützende Isolationsschicht darstellt. Aufgrund ihres hohen Fettanteils erscheinen die Bereiche des Gehirns, in denen viele dieser Zellen vorkommen, weißlich – daher spricht man auch von der weißen Substanz. Die Myelinisierung durch Oligodendrozyten hat zwei wesentliche Funktionen: Zum einen schützt sie die Axone vor mechanischer Überbeanspruchung, zum anderen führt sie zu einer erheblichen Erhöhung der Leitungsgeschwindigkeit von Nervenimpulsen.

Im ZNS bilden Oligodendrozyten die Myelinscheide, im PNS übernehmen diese Aufgabe die Gliazellen.

Die graue und weiße Substanz

Die graue Substanz besteht aus Nervenzellkörpern (Neuronen), die weiße aus myelinisierten Axonen (dessen Myelinschicht von Gliazellen gebildet wird).

Im Zentralnervensystem unterscheidet man zwischen grauer und weißer Substanz, die jeweils unterschiedliche Bestandteile aufweisen. Die graue Substanz (Substantia grisea) besteht überwiegend aus den Zellkörpern der Neuronen und ist somit für die Verarbeitung und Integration von Informationen verantwortlich. Die weiße Substanz (Substantia alba) setzt sich hingegen hauptsächlich aus den Fortsätzen der Nervenzellen (Axonen) zusammen. Diese Axone sind oft von einer Myelinscheide umhüllt, die aus einer speziellen Art von Gliazellen (Oligodendrozyten im ZNS) gebildet wird. Das Myelin ist fetthaltig und verleiht der weißen Substanz ihre helle Farbe.

Diese Axone erscheinen aufgrund ihrer Umhüllung mit Myelin weiß. Das Myelin selbst wird im Zentralnervensystem von Oligodendrozyten und im peripheren Nervensystem von Schwann-Zellen gebildet. Die Myelinschicht sorgt nicht nur für den weißen Farbeindruck, sondern ermöglicht auch eine schnelle Reizweiterleitung.

An der Oberfläche des Gehirns bildet die graue Substanz die sogenannte Rinde, auch Cortex genannt. In tiefer liegenden Bereichen befinden sich hingegen von weißer Substanz umgebene Ansammlungen grauer Substanz, die als Kerne oder Nuclei bezeichnet werden. Diese funktionelle und strukturelle Gliederung ist grundlegend für die Organisation des Nervensystems.

Die Substantia nigra

Die Substantia nigra ist eine Struktur im Mittelhirn (Mesencephalon). Sie trägt ihren Namen aufgrund ihrer dunklen Färbung, welche durch einen hohen Gehalt an Eisen und Melanin in den Nervenzellen entsteht.

Melanin befindet sich in den Haarfollikeln, der Iris des Auges, dem Innenohr und in der Substantia nigra.

In der Substantia nigra wird Dopamin produziert und eingelagert. Dopamin beeinflusst die motorischen Funktionen. Bei der Parkinson-Krankheit kommt es zu einem fortschreitenden Absterben der dopaminproduzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra. 

Diese Struktur spielt eine zentrale Rolle in der motorischen Steuerung. Bei Morbus Parkinson kommt es zum fortschreitenden Untergang der Zellen in der Substantia nigra. Dieser Zellverlust führt zu einem Dopaminmangel, was die typischen motorischen Symptome wie Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsverlangsamung zur Folge hat.

Ranviersche Schnürringe

Ranviersche Schnürringe sind regelmäßige Unterbrechungen der Myelinscheide entlang eines Axons. An diesen Abschnitten fehlt die elektrische Isolation, wodurch an diesen Stellen ein direkter Ionenaustausch mit der Umgebung möglich ist.

Das elektrische Signal, das entlang eines Axons weitergeleitet wird, springt von einem Schnürring zum nächsten, anstatt sich kontinuierlich über die gesamte Axonmembran auszubreiten. Dieses Phänomen wird als saltatorische Erregungsleitung bezeichnet.

Der Effekt dieser sprunghaften Weiterleitung ist eine deutlich erhöhte Geschwindigkeit der Reizweiterleitung, wodurch Informationen schneller im Nervensystem übertragen werden können.

Der Weg der Informationsweiterleitung von Neuron zu Neuron

Am Weg von einem Neuron zum nächsten wechselt das Signal zwischen elektrischer und chemischer Informationsweiterleitung:

  1. Dendriten (Umwandlung chemisch elektrisch)
    Ein Neuron beginnt mit der Aufnahme von Informationen durch die Synapsen auf den Dendriten. Diese empfangen chemische Signale, die von anderen Neuronen stammen und wandeln diese in elektrische Signale um.
  2. Soma / Zellkörper (elektrisch)
    Die elektrischen Signale aus den Dendriten werden im Zellkörper (Perikaryon, Soma) verarbeitet und summiert. Es entsteht ein Aktionspotenzial – ein klar definierter elektrischer Impuls.
  3. Axon (elektrisch)
    Das Aktionspotenzial wird als elektrischer Impuls entlang des Axons weitergeleitet. Das Signal springt dabei von einem Ranvierschen Schnürring zum nächsten.
  4. Umwandlung elektrisch → chemisch
    Wenn das elektrische Aktionspotenzial das Ende des Axons erreicht wird es in ein chemisches Signal umgewandelt.
  5. Synaptischer Spalt (chemisch)
    Die Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden sich so an das nächste Neuron.
  6. Umwandlung chemisch → elektrisch
    Die Bindung an das nächste Neuron löst eine elektrische Antwort aus, wodurch der Zyklus im nächsten Neuron neu beginnt.

Neurotransmittersubstanzen

Wenn ein elektrisches Aktionspotenzial am Ende eines Axons ankommt, führt das zur Ausschüttung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt.

Neurotransmittersubstanzen sind chemische Botenstoffe.

Sie beeinflussen vielfältige Prozesse im Körper und im Gehirn – von der Bewegung bis zur Stimmungslage. Zu den wichtigsten Neurotransmittern zählen Acetylcholin, Glutamat, GABA, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin.

Acetylcholin ist in erster Linie ein Neurotransmitter und gehört zu den ersten entdeckten Neurotransmittern überhaupt. Es ist an der Reizübertragung zwischen Nerven und Muskeln und an Lern- und Gedächtnisprozessen beteiligt. Ein Mangel an Acetylcholin wird unter anderem mit Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht.

Glutamat ist der bedeutendste erregende Neurotransmitter im Gehirn. Es unterstützt Lernprozesse, Gedächtnisbildung und neuronale Plastizität. Eine Überstimulation durch Glutamat kann allerdings auch zu neuronaler Schädigung führen, wie etwa bei Schlaganfällen.

Anders als Glutamat (erregend) wirkt GABA (Gamma-Aminobuttersäure) hingegen hemmend. GABA dockt an spezielle Rezeptoren an und verringert damit die Erregbarkeit von Nervenzellen. GABA ist der Antagonist zum Glutamat und sorgt für Balance im Nervensystem.

Dopamin ist vor allem für motorische Aktivitäten, Aufmerksamkeit und Lernprozesse unverzichtbar. Ein Mangel an Dopamin, wie er bei Parkinson-Patienten auftritt, führt dazu, dass Bewegungsimpulse nicht mehr korrekt übermittelt werden. Es gibt die „Dopaminhypothese der Schizophrenie“ bzw. die „Dopaminhypothese der Depression“, die in vielen Lehrbüchern dargestellt wird, obwohl es keine unmittelbare diagnostische Anwendung dafür gibt. Laut dieser These kann ein Zuviel an Dopamin oder eine Störung des Gleichgewichts mit Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depressionen in Zusammenhang stehen. Fakt ist, dass es – anders als bei neurologischen Erkrankugen – für psychiatrische Erkrankungen bisher keinerlei diagnostische Verfahren gibt. Das bedeutet, dass es keine etablierten diagnostischen Verfahren in der klinischen Praxis gibt, mit denen man Schizophrenie oder Depression allein durch die Messung des Dopaminspiegels diagnostizieren kann.

Noradrenalin ist eng mit Dopamin verwandt und hat vor allem Einfluss auf Aufmerksamkeit und Wachheit. Es wird häufig in Stresssituationen vermehrt ausgeschüttet und trägt zur Aktivierung des Körpers bei.

Serotonin ist als Stimmungsstabilisator bekannt. Es beeinflusst Appetit, Sexualtrieb und das allgemeine psychische Wohlbefinden. Es gibt die „Serotoninhypothese der Depression“, die besagt, dass bei Menschen mit Depressionen die Serotonin-Konzentration im Gehirn reduziert sei. Laut dieser These kann ein Zuwenig an Serotonin oder eine Störung des Gleichgewichts mit Erkrankungen wie Depressionen in Zusammenhang stehen. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, den Serotoninstatus im Gehirn direkt zu messen. Sprich: Es ist nicht möglich, Depression aufgrund eines diagnostischen Verfahrens zur Messung des Serotoningehalts diagnostizieren. Während also viele Antidepressiva darauf aufbauen, dass sie die die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt erhöhen, sprechen viele depressive Menschen gar nicht auf serotonerg wirkende Medikamente an.

Depressio – Serotonin, Noradrenalin und Dopamin

Bei depressiven Erkrankungen spielen laut Hypothesen bestimmte Neurotransmitter eine zentrale Rolle (z.B. Serotonin, Dopamin). Ein Ungleichgewicht oder Mangel dieser Botenstoffe wird mit verschiedenen Symptomen und Formen der Depression in Verbindung gebracht. Bislang existieren jedoch keine diagnostischen Verfahren, mit denen eine Depression objektiv anhand neurochemischer Parameter festgestellt werden kann.

Neurotransmitter, die laut Hypothesen mit einer Depressio in Verbindung gebracht werden:
• Serotonin
• Noradrenalin
• Dopamin

Das Gehirn

Das Gehirn ist das zentrale Steuerorgan des menschlichen Körpers und spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Informationen, der Koordination von Bewegungen und der Regulation lebenswichtiger Funktionen. Es ist Teil des zentralen Nervensystems, zu dem auch das Rückenmark gehört.

Mit einem durchschnittlichen Gewicht von etwa 1300 Gramm ist das menschliche Gehirn relativ schwer im Verhältnis zur Körpergröße. Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), die über ein komplexes Netzwerk miteinander verbunden sind. Diese Neuronen ermöglichen durch elektrische und chemische Signale die Kommunikation innerhalb des Gehirns und mit dem restlichen Körper.

Das zentrale Nervensystem übernimmt somit die Funktion einer Steuerzentrale: Es empfängt Reize aus der Umwelt und dem Körperinneren, verarbeitet diese und steuert daraufhin gezielt Reaktionen – sei es bewusst, wie bei Bewegungen, oder unbewusst, wie bei der Atmung oder der Herzfrequenz. Damit bildet das Gehirn das Fundament für Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln.

Afferente und efferente Nerven

Afferente Nerven leiten Reize zum ZNS, efferente Nerven leiten Befehle vom ZNS zu den Organen oder Muskeln.

🫏 Eselsbrücke: A wie Aufstieg (ins Gehirn), E wie Effekt (auf die Muskeln) 🫏

Das Nervensystem beruht auf einer klaren Aufgabenteilung zwischen afferenten und efferenten Neuronen. Diese beiden Nervenbahnen bilden die Grundlage für die Kommunikation zwischen dem Körper und dem zentralen Nervensystem.

Afferente Neuronen sind dafür zuständig, sensorische Reize aus der Umwelt oder dem Körperinneren zum Gehirn oder Rückenmark zu leiten. Dazu zählen Sinneseindrücke wie Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken und die Tiefensensibilität (z. B. die Wahrnehmung der eigenen Körperlage). Man kann sich merken: afferent = Aufstieg

Efferente Neuronen hingegen leiten die motorischen Befehle vom zentralen Nervensystem zurück in den Körper. Dabei steuern sie sowohl willkürliche Bewegungen, etwa die der Skelettmuskulatur, als auch autonome Prozesse, wie die Aktivität von Organen und Drüsen. Merksatz: efferent = Effekt

• Sensorische Nerven leiten Sinneseindrücke ans Gehirn (afferent)
• Motorische Nerven steuern Muskeln (efferent)

Das periphere Nervensystem

Das periphere Nervensystem (PNS) besteht aus:
• allen Nervenzellen und Nervenbahnen außerhalb von Gehirn und Rückenmark.
• 12 Gehirnnerven

Aufgabe: efferente und afferente Reizleitung

Die Hirnhäute

Die Hirnhäute sind bindegewebige Schichten, die das Gehirn umhüllen und schützen. Zwischen den Hirnhäuten befinden sich spezielle Räume, in denen unter anderem Liquor (Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit) zirkuliert und Blutungen entstehen können.

Die Hirnhäute (Meningen) umgeben und schützen das Gehirn und das Rückenmark.

Sie bestehen aus drei Schichten, die sich von außen nach innen wie folgt anordnen:
Dura mater (harte Hirnhaut) – liegt direkt am Knochen an
Arachnoidea (Spinngewebshaut)
Pia mater (weiche Hirnhaut) – liegt am Gehirn bzw. dem Rückenmark auf

Die äußerste Schicht ist die harte Hirnhaut (Dura mater). Sie liegt dem Schädelknochen direkt von innen an und bildet eine harte Hülle. Direkt darunter befindet sich die Spinngewebshaut (Arachnoidea). Sie ist feiner aufgebaut und durch feine Bindegewebsfasern mit der innersten Hirnhaut verbunden. Diese innerste Schicht ist die weiche Hirnhaut (Pia mater), die dem Gehirn und Rückenmark eng anliegt und diese Strukturen direkt umhüllt. Unmittelbar unter der Pia mater beginnt die Großhirnrinde.

Zwischen den Hirnhäuten können Hirnblutungen entstehen, die je nach Lokalisation unterschiedliche Bezeichnungen tragen:

Ein Subduralraum befindet sich zwischen der Dura mater und der Arachnoidea. Bei einem Riss von Brückenvenen, zum Beispiel durch ein Schädel-Hirn-Trauma, kann es zu einer Einblutung in diesen Raum kommen – man spricht dann von einem subduralen Hämatom.

Ein Epiduralraum entsteht zwischen dem Schädelknochen und der Dura mater. Dieser Raum ist im Normalfall nicht vorhanden, kann sich aber bei einer arteriellen Blutung – etwa durch eine Verletzung der Arteria meningea media – bilden. In einem solchen Fall spricht man von einem epiduralen Hämatom, das schnell lebensbedrohlich werden kann.

Die Liquorflüssigkeit

Die Liquorflüssigkeit (Hirnwasser) ist eine klare Körperflüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark vollständig umspült. Im Vergleich zu Blutplasma ist die Liquorflüssigkeit protein- und zellarm. Sie besteht überwiegend aus Wasser.

Eine ihrer wichtigsten Funktionen besteht im mechanischen Schutz des Gehirns. Das Gehirn „schwimmt“ im Liquor, was eine Stoßdämpferwirkung erzeugt. Dadurch wird es bei plötzlichen Bewegungen oder Erschütterungen vor Verletzungen geschützt. Dieser Puffer verhindert, dass das empfindliche Nervengewebe gegen die Schädelwand prallt.

Neben dieser Schutzfunktion ist der Liquor auch für die Versorgung des Gehirns mit Nährstoffen zuständig. Zudem trägt er zur Abwehr pathogener (krankmachender) Erreger bei, indem er unerwünschte Stoffe umspült und den Abtransport unterstützt.

Da sich der Liquor ständig in Bewegung befindet, werden nicht nur Nährstoffe zugeführt, sondern auch Stoffwechselprodukte und Abfallstoffe aus dem Nervengewebe entfernt. Diese werden über das venöse System abtransportiert. Durch den kontinuierlichen Fluss des Liquors kann ein stabiles Milieu im Gehirn aufrechterhalten werden.

Die Liquordiagnostik

Die Liquordiagnostik ist ein wichtiges Verfahren in der neurologischen und infektiologischen Medizin. Da der Liquor nicht nur das Gehirn, sondern auch das Rückenmark vollständig umspült, lässt sich durch eine sogenannte Lumbalpunktion – also die Entnahme von Liquor im Bereich der Lendenwirbelsäule – auf den Zustand des gesamten Liquorsystems schließen.

Eine Lumbalpunktion dient der Entnahme von Liquor zur Diagnostik neurologischer Erkrankungen.

Bei dieser Untersuchung können sowohl der Liquordruck als auch die chemische und zelluläre Zusammensetzung der Hirnflüssigkeit analysiert werden. Diese Informationen sind besonders wertvoll für die Diagnostik von Erkrankungen, die das zentrale Nervensystem betreffen.

Die Liquordiagnostik kommt beispielsweise zum Einsatz bei Verdacht auf folgende Erkrankungen:
• Entzündungen der Hirnhäute (Meningitis, Enzephalitis)
• Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose)
• infektiöse Erkrankungen (Neuroborreliose)

Die Gehirnkammern

Hirnventrikel sind mit Hirnwasser gefüllte Hohlräume im Gehirn. Es gibt insgesamt vier Hirnventrikel.

Die Liquorflüssigkeit wird hauptsächlich in den Hirnventrikeln gebildet.

Das vegetative und das sensorische Nervensystem

Die funktionelle Gliederung des Nervensystems unterscheidet zwei Hauptbereiche: das vegetative Nervensystem und das somatische Nervensystem. Beide Systeme erfüllen unterschiedliche Aufgaben.

Das vegetative (autonome) Nervensystem ist ein unwillkürliches, also unbewusst arbeitendes System. Es ist verantwortlich für die Sensibilität und Motorik der inneren Organe und reguliert die Beziehung zur körperlichen Innenwelt. So steuert es unter anderem die Verdauung, den Herzschlag, die Atmung und den Stoffwechsel. Innerhalb des vegetativen Nervensystems unterscheidet man zwei gegensätzlich wirkende Anteile: den Sympathikus und den Parasympathikus.

Sympathikus
Der Sympathikus tritt aus dem Brust- und Halswirbelbereich in das periphere Nervensystem ein. Er ist vor allem in Stresssituationen aktiv und bereitet den Körper auf Kampf oder Flucht vor – zum Beispiel durch eine Erhöhung des Herzschlags, Erweiterung der Bronchien und Hemmung der Verdauung.

Parasympathikus
Der Parasympathikus hingegen entspringt überwiegend dem Kopfbereich und wirkt als Gegenspieler des Sympathikus. Er ist aktiv in Phasen der Ruhe, Regeneration und Verdauung. Seine Funktion besteht darin, den Körper in einen Zustand der Erholung zu versetzen und lebenswichtige Aufbaureaktionen zu fördern.

Im Gegensatz dazu steht das somatische Nervensystem, das für willkürliche, bewusste Bewegungen und Sinneswahrnehmungen zuständig ist. Es ermöglicht die gezielte Steuerung der Skelettmuskulatur und regelt die Beziehung des Körpers zur Außenwelt. Über afferente Bahnen nimmt es Reize aus der Umwelt auf (z. B. Temperatur, Schmerz, Berührung), und über efferente Bahnen steuert es bewusst ausgeführte Bewegungen.

Die Pyramidenbahnen

Das pyramidale System spielt eine Rolle bei der willkürlichen Motorik, insbesondere bei der Feinmotorik. Es steuert gezielte, bewusste Bewegungen, wie zum Beispiel das Greifen, Schreiben oder Sprechen. Der wichtigste Bestandteil dieses Systems sind die Pyramidenbahnen, die efferent verlaufen – also vom Gehirn in die Muskulatur führen.

Das pyramidale System steuert die bewusste, willkürliche Feinmotorik z. B. Finger, Gesicht, Zunge). Das extrapyramidale System hingegen steuert unbewusste Bewegungen (Muskeltonus, Haltung, Bewegungsfluss, Koordination).

Eine Besonderheit der Pyramidenbahnen des pyramidalen Systems ist, dass sie sich an der sogenannten Pyramidenkreuzung größtenteils auf die Gegenseite des Körpers kreuzen. Das bedeutet: Nervenimpulse, die im Gehirn der linken Hemisphäre entstehen, steuern die Bewegungen der rechten Körperhälfte – und umgekehrt. Daraus erklärt sich auch, warum bei einem Schlaganfall häufig eine Lähmung der gegenüberliegenden Körperhälfte auftritt: Ist zum Beispiel die linke Hirnhälfte betroffen, kommt es meist zu Ausfällen in der rechten Körperhälfte. Dies gilt jedoch nicht in derselben Weise für das extrapyramidale System.

Das Großhirn

Das Großhirn (Cerebrum, Telencephalon) stellt mit etwa 80 % des Gesamtgewichts den größten Teil des menschlichen Gehirns dar.

Das Großhirn ist verantwortlich für Funktionen wie Gedächtnis, Sprache und Logik.

An der Oberfläche des Großhirns befinden sich zahlreiche Furchen (Sulci) und Windungen (Gyri), die für die typische gefaltete Struktur des Gehirns verantwortlich sind und die das Gehirn optisch an eine Walnuss erinnern lassen. Diese Faltungen vergrößern die Oberfläche der Großhirnrinde und ermöglichen so eine höhere Dichte an Nervenzellen. Wie bei der Walnuss ist das Großhirn in zwei Hälften, die sogenannten Hemisphären, unterteilt – einer linken und einer rechten Gehirnhälfte.

Jede dieser Hemisphären ist wiederum in vier verschiedene Lappen unterteilt: den Stirnlappen (Frontallappen), den Scheitellappen (Parietallappen), den Schläfenlappen (Temporallappen) und den Hinterhauptslappen (Okzipitallappen).

Die beiden Hemisphären stehen über ein breites Nervenbündel, den sogenannten Balken (Corpus callosum), in Verbindung. Er dient dem Informationsaustausch zwischen beiden Gehirnhälften.

Jede Hirnhälfte hat sich im Laufe der Entwicklung auf bestimmte Funktionen spezialisiert. In der Regel befinden sich in der linken Hemisphäre die Zentren für Sprache, Logik und analytisches Denken, während die rechte Hemisphäre eher für Kreativität, räumliches Denken und Orientierung zuständig ist.

Die äußere Schicht des Großhirns wird als Hirnrinde oder Neocortex bezeichnet. Sie ist stark gefaltet und misst etwa zwei bis fünf Millimeter in der Dicke. Trotz ihrer geringen Dicke beherbergt sie die zentralen Bereiche für Lernen, Sprache, Denken, Bewusstsein und Gedächtnis.

In der Hirnrinde laufen sämtliche Informationen aus den Sinnesorganen zusammen. Dort werden sie verarbeitet, bewertet und schließlich im Gedächtnis gespeichert.

Die Großhirnrinde

Das Großhirn lässt sich anatomisch in zwei Hauptbereiche unterteilen: die Großhirnrinde (Cortex cerebri) und das darunterliegende Großhirnmark (Medulla).

Die Großhirnrinde bildet die äußerste Schicht des Großhirns und besteht aus grauer Substanz. In ihr befinden sich die wichtigsten funktionellen Zentren für Wahrnehmung, Bewegung, Sprache, Gedächtnis und Denken. Diese Bereiche sind hoch spezialisiert und ermöglichen dem Menschen bewusstes Erleben, logisches Denken und gezielte Handlungen.

Das darunterliegende Großhirnmark besteht überwiegend aus weißer Substanz. Es enthält zahlreiche Leitungsbahnen, also Nervenfasern, die Informationen zwischen verschiedenen Hirnarealen sowie zwischen Großhirnrinde und Rückenmark weiterleiten. Unterstützt wird diese Weiterleitung durch Gliazellen, die die Myelinschicht auf den Axonen bilden.

Die Gliazellen unterstützen, isolieren und versorgen die Axone, sind aber mengenmäßig nicht der Hauptbestandteil, sondern funktionell und strukturell eng mit den Axonen verbunden.

Cortex: Funktionsbereiche und Rindenfelder

Der Cortex (Großhirnrinde) ist in verschiedene Funktionsbereiche unterteilt, die jeweils für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Diese Bereiche werden auch Rindenfelder genannt. Alle eintreffenden Afferenzen, also sensorischen Informationen aus dem Körper, werden an genau definierte Areale innerhalb des Cortex weitergeleitet und dort verarbeitet.

Ein besonders wichtiger Bereich ist die hintere Zentralwindung, auch Gyrus postcentralis genannt. Dieser Bereich liegt direkt hinter der Zentralfurche und ist Teil des primär somatosensorischen Cortex. Hier werden Reize wie Schmerz und Berührung wahrgenommen und verarbeitet. Die Verarbeitung erfolgt dabei somatotop, das heißt: Jede Körperregion ist einem bestimmten Punkt auf dem Gyrus postcentralis zugeordnet – dies wird bildlich durch den Homunculus dargestellt. Zusätzlich sind die Bahnen seitenverkehrt organisiert, das heißt: Informationen von der rechten Körperseite werden in der linken Gehirnhälfte verarbeitet und umgekehrt.

📸 Bild: Homunculus, wikipedia 📸

Die vordere Zentralwindung, der Gyrus praecentralis, liegt unmittelbar vor der Zentralfurche. Sie gehört zum primär motorischen Cortex und ist dafür zuständig, Bewegungsbefehle an die gegenüberliegende Körperhälfte zu senden. Auch hier gilt das Prinzip der Seitenkreuzung, wodurch etwa eine Bewegung der rechten Hand im linken motorischen Cortex geplant wird.

Ein wichtiger Bereich ist das sensorische Sprachzentrum, auch Wernicke-Zentrum genannt. Es ist dafür zuständig, das Gehörte zu verstehen und sprachlich zu interpretieren. Ist dieser Bereich gestört, kann es zu einem Verlust des Sprachverständnisses kommen, obwohl das Sprechen selbst noch möglich sein kann.

Ergänzend dazu spielt das motorische Sprachzentrum, das sogenannte Broca-Zentrum, eine zentrale Rolle bei der Sprachproduktion. Es liegt in der Frontalrinde, genauer gesagt vor dem Gyrus praecentralis. Eine Schädigung dieses Zentrums führt häufig zu Wortbildungsstörungen, bei denen Betroffene Schwierigkeiten haben, Wörter korrekt zu formen oder flüssig zu sprechen.

Das Limbische System

Das Limbische System stellt einen entwicklungsgeschichtlich jüngeren Teil des Gehirns dar. Es ist kein Ort des bewussten Denkens, sondern vielmehr ein Bereich, in dem Emotionen und unbewusste Reaktionen verarbeitet werden. Die darin ablaufenden Prozesse werden oft als nonverbale Gefühle beschrieben, was allerdings eine vereinfachte Darstellung ist.

In der neueren wissenschaftlichen Diskussion wird dem Limbischen System eine besondere Bedeutung als Sitz der emotionalen Intelligenz (EQ) zugesprochen. Damit rückt es zunehmend ins Zentrum des Interesses, wenn es um das Zusammenspiel von Emotion und Verhalten geht.

Die Reaktionsfähigkeit dieses Systems ist bemerkenswert hoch. Diese beruht auf einer sehr einfachen, aber äußerst effektiven Reaktionsweise: Sinneseindrücke und Reize, die aus der Umwelt eingehen, werden sofort und unmittelbar auf Basis gespeicherter Erfahrungen emotional bewertet. Dabei erfolgt keine vorherige rationale Analyse, was eine schnelle und direkte Reaktion auf potenziell bedrohliche Situationen ermöglicht.

Da das Limbische System dem Neokortex, also dem denkenden Teil des Gehirns, vorgeschaltet ist, kann es Reaktionen auslösen, ohne dass das Denkvermögen aktiv wird. Das bedeutet, dass beispielsweise bei einer als bedrohlich empfundenen Situation, die vom Stammhirn erkannt wird, sofort eine emotionale Abwehrreaktion wie Flucht oder Angriff ausgelöst werden kann. Diese unmittelbare Reaktionsfähigkeit ist nicht nur beim Menschen, sondern in variierender Form auch bei anderen tierischen Lebewesen vorhanden.

Beim Menschen allerdings setzt nach einer solchen spontanen Reaktion eine Besonderheit ein: Das Denkgehirn wird nachträglich wieder eingeschaltet, wodurch die Reize, die das Limbische System aktiviert haben, erneut bewertet und reflektiert werden können. Auf diese Weise wird eine Verbindung zwischen unbewusster, emotionaler Reaktion und bewusster, rationaler Verarbeitung hergestellt.

Das Zwischenhirn

Das Zwischenhirn (Diencephalon) schließt sich direkt an das Stammhirn an und spielt eine zentrale Rolle bei der Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen. Ein besonders bedeutender Bestandteil dieses Hirnabschnitts ist der Thalamus. Er wird häufig als „Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet, da er entscheidet, welche Sinneseindrücke in unser Bewusstsein gelangen dürfen. In seiner Funktion als Filter und Verteiler leitet der Thalamus diese Informationen gezielt an die jeweiligen Verarbeitungszentren im Gehirn weiter.

Neben dem Thalamus ist auch der Hypothalamus ein wichtiger Bestandteil des Zwischenhirns. Dieser Bereich erfüllt eine Vermittlerrolle zwischen dem Hormon- und dem Nervensystem. Dabei reguliert der Hypothalamus lebenswichtige Körperfunktionen wie den Schlaf-Wach-Rhythmus, das Hungergefühl, die Temperaturregulation und den Durst. Darüber hinaus beeinflusst er auch den Sexualtrieb und ist an der Verarbeitung von Schmerz- und Temperaturempfindungen beteiligt.

ℹ️ Mehr Infos zum Thema (Kommentarliteratur): Der Hypothalamus – das Temperaturregulationszentrum ℹ️

Der Epithalamus

Der Epithalamus ist ein Teil des Zwischenhirns und umfasst unter anderem die Zirbeldrüse. Diese Drüse (Glandula pinealis) genannt, spielt eine bedeutende Rolle bei der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus. Über die Produktion des Hormons Melatonin beeinflusst sie den Tag-Nacht-Zyklus des menschlichen Körpers.

Das Kleinhirn

Das Kleinhirn (Cerebellum) ist steuert das Gleichgewicht und die Bewegungskoordination (willkürlich und unwillkürlich).

Es überwacht und korrigiert also Bewegungsabläufe, erzeugt jedoch selbst keine Bewegungen. Das Kleinhirn wirkt also wie ein feinabstimmendes Kontrollzentrum, das sicherstellt, dass Bewegungen geschmeidig und zielgerichtet ausgeführt werden.

Wenn die Funktion des Kleinhirns gestört ist, können erhebliche Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit auftreten. Betroffene leiden häufig unter motorischen Störungen, die sich beispielsweise in einem unsicheren Gang oder einem Verlust des Gleichgewichts äußern. Schon alltägliche Aufgaben, wie das sichere Stehen auf einem Bein, können dann kaum noch bewältigt werden.

Das Stammhirn

Das Stammhirn (auch: Hirnstamm) ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns (und wird daher auch „Reptiliengehirn“ genannt). Es übernimmt grundlegende Aufgaben, die für das Überleben unverzichtbar sind – allesamt ausschließlich unwillkürlich. Dazu zählen die Regulation der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Atmung. Darüber hinaus ist das Stammhirn an lebenswichtigen Reflexen beteiligt, wie etwa dem Lidschlussreflex, dem Schluckreflex oder dem Hustenreflex.

Teile des Hirnstamms:
Mittelhirn (Mesencephalon)
Brücke (Pons)
verlängertes Rückenmark (Medulla oblongata)

Das Mittelhirn

Das Mittelhirn (Mesencephalon) liegt oberhalb des Stammhirns. Es übernimmt eine zentrale Rolle in der Steuerung der Augenbewegungen. Darüber hinaus ist das Mittelhirn ein wesentlicher Bestandteil des extrapyramidalen Systems, das unbewusste Bewegungsabläufe reguliert.

Sensorische Reize, also Erregungen sensibler Nerven, werden im Mittelhirn entweder über das Zwischenhirn (Diencephalon) an das Großhirn (Telencephalon) weitergeleitet oder direkt auf motorische Nervenzellen umgeschaltet, um eine unmittelbare Reaktion auszulösen.

Sensible Nerven verarbeiten Berührungs-, Temperatur- und Schmerzreize und werden dem sensorischen Teil des peripheren Nervensystems zugeordnet.

Eine wichtige Struktur im Mittelhirn ist die Substantia nigra. Sie ist im Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson) bekannt.

Verlängertes Rückenmark

Die Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) ist ein Teil des Stammhirns. Sie markiert den Übergang vom Rückenmark zum Gehirn. In ihr beginnt funktionell das Gehirn.

Die Medulla oblongata übernimmt lebenswichtige Funktionen wie:
• Atmung
• Blutkreislauf
• Herzfrequenz
• Blutdruck
• Säure-Basen-Haushalt
• Erbrechen
• Niesreflex
• Schluckreflex
• Saugreflex

In der Medulla oblongata verlaufen sowohl afferente als auch efferente Nervenbahnen.

Der Mensch kann theoretisch ohne Großhirn überleben (s. Apallisches Syndrom). Ohne Stammhirn (Medulla oblongata) jedoch ist ein Überleben nicht möglich.

Der Pons (Brücke) verbindet das Großhirn mit dem Kleinhirn und steuert gemeinsam mit der Medulla oblongata lebenswichtige Funktionen wie die Atmung.

Bild 2: sagittaler Schnitt
Bild 3: koronaler Schnitt

Das Rückenmark

Wie das Gehirn ist auch das Rückenmark (Medulla spinalis) von den drei Hirnhäuten umgeben:
• harte Hirnhaut (Dura mater)
• Spinnwebenhaut (Arachnoidea mater)
• weichen Hirnhaut (Pia mater)

📸 Foto oder Bild: Abbildung 2: Darstellung der Rückenmarkshäute (um zum Bild zu gelangen diesen Text kopieren und unverändert in die Suchleiste eingeben), Uni Tübingen 📸

Die Hirnhäute sorgen zusammen mit der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) für einen effektiven Schutz des Rückenmarks. Zusätzlich liegt das Rückenmark gut geschützt im knöchernen Wirbelkanal, der es vor mechanischen Einflüssen bewahrt.

Im Inneren des Rückenmarks befindet sich die sogenannte graue Substanz, die im Querschnitt eine schmetterlingsähnliche Form aufweist. Diese besteht hauptsächlich aus Nervenzellkörpern und ist funktionell in drei Bereiche untergliedert:
• Im Vorderhorn befinden sich Nervenzellen, die motorische Impulse vom Gehirn aufnehmen und sie an die Muskulatur weiterleiten. Diese Nervenbahnen verlaufen efferent, das heißt vom Zentralnervensystem in die Peripherie.
• Das Hinterhorn hingegen ist für die Aufnahme sensorischer Reize aus der Peripherie zuständig, etwa für Berührungen, Druck, Schmerz sowie Temperaturwahrnehmung (Kälte und Wärme). Diese Signale werden afferent, also von der Peripherie zum Zentralnervensystem, geleitet.
• Im Seitenhorn schließlich befinden sich Nervenzellen, die dem vegetativen Nervensystem angehören und unwillkürliche Körperfunktionen regulieren.

Im Gehirn liegt die graue Substanz überwiegend außen und die weiße Substanz innen. Im Rückenmark ist es genau umgekehrt: Die weiße Substanz liegt außen, während die graue Substanz zentral im Inneren (in Form eines schmetterlingsförmigen Kerns) angeordnet ist.

Reizleitung

Die Reizleitung im Nervensystem erfolgt über zwei Hauptwege:
• afferente Bahnen
• efferente Bahnen

Afferente Bahnen verlaufen aufsteigend, also von der Peripherie hin zum zentralen Nervensystem. Sie dienen der Aufnahme und Weiterleitung von Informationen über die Oberflächen- und Tiefensensibilität. Dazu zählen beispielsweise Tastempfindungen, Druckreize oder die Wahrnehmung der Lage der Gliedmaßen im Raum. Zusätzlich leiten diese Bahnen Reize weiter, die Schmerz und Temperatur betreffen, sodass der Körper auf schädigende Einflüsse angemessen reagieren kann.

Im Gegensatz dazu verlaufen efferente Bahnen absteigend, vom Gehirn zur Peripherie. Sie sind für die gezielte Willkürmotorik zuständig, insbesondere über die Pyramidenseitenstrangbahn, die bewusste Bewegungen vermittelt. Darüber hinaus spielen efferente Bahnen auch eine bedeutende Rolle bei der Stütz- und Haltemotorik, welche über extrapyramidale motorische Bahnen reguliert wird. Diese Bahnen sorgen dafür, dass die Körperhaltung stabil bleibt und Bewegungsabläufe koordiniert ausgeführt werden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass viele dieser motorischen Bahnen im Rückenmarkssegment die Seite kreuzen, was bedeutet, dass Reize, die im Gehirn entstehen, auf der gegenüberliegenden Körperseite wirksam werden.

Arten der Reizweiterleitung

Die Reizweiterleitung im Nervensystem lässt sich in zwei Arten unterscheiden:
• die willkürliche und bewusste Reizleitung
• die unwillkürliche Reizleitung {z.B. Reflexe)

Bei der bewussten Reizleitung handelt es sich um Vorgänge, die unter der Kontrolle des Willens stehen. Hierbei spielen aufsteigende Bahnen eine zentrale Rolle, da sie afferent verlaufen. Das bedeutet, dass sie Reize aus der Peripherie aufnehmen und zum Gehirn weiterleiten. Ergänzend dazu gibt es absteigende Bahnen, die efferent sind und Informationen vom Gehirn in die Peripherie übertragen. Dabei unterscheidet man zwei Typen:
• Die pyramidal verlaufenden Bahnen (Pyramidenbahnen) sind für die gezielte, fein abgestimmte Zielmotorik verantwortlich, also für bewusste Bewegungen.
• Daneben existieren auch extrapyramidale Bahnen, die ebenfalls efferent sind, jedoch der Halte- und Stützmotorik dienen. Sie sorgen dafür, dass der Körper seine Haltung stabilisiert und Bewegungsabläufe unterstützt werden.

Neben diesen bewussten Bahnen existieren Reflexe als automatische, unwillkürliche Reaktionen auf bestimmte Reize. Hier unterscheidet man Eigenreflexe, bei denen Reizaufnahme und Reaktion im selben Organ erfolgen, und Fremdreflexe, bei denen Reizaufnahme und Reaktion über unterschiedliche Organe vermittelt werden.

Reflexe

Reflexe sind automatische Reaktionen des Nervensystems, die zum Schutz des Körpers dienen. Da einige Reaktionen über das Gehirn zu lange dauern würden, hat der Körper ein eigenes schnelles System entwickelt, um in Gefahrensituationen rasch reagieren zu können. Dabei ist das Großhirn nicht beteiligt, was bedeutet, dass Reflexe ohne bewusste Steuerung ablaufen.

Diese Reflexe sind spontan und können nicht willentlich beeinflusst werden. Sie ermöglichen eine unmittelbare Reaktion auf bestimmte Reize und tragen dadurch wesentlich zur schnellen Gefahrenabwehr und zum Erhalt der körperlichen Unversehrtheit bei.

Reflexe lassen sich in zwei Hauptformen unterteilen. Eigenreflexe sind Streckreflexe, die insbesondere der Halte- und Stützmotorik dienen. Bei ihnen liegen Rezeptor und Effektor im selben Organ. Fremdreflexe hingegen sind Beugereflexe, die vor allem der Zielmotorik dienen. Hier befinden sich Rezeptor und Effektor in unterschiedlichen Organen.

Neben den physiologischen Eigen- und Fremdreflexen gibt es auch pathologische und primitive Reflexe, die auf Störungen im Nervensystem hinweisen können. Diese Reflexe treten unter bestimmten Bedingungen auf und spielen eine wichtige Rolle in der neurologischen Diagnostik.

Pathologische Reflexe entstehen meist infolge einer Schädigung der Pyramidenbahn, etwa durch eine Läsion oder bei Säuglingen, bei denen die Pyramidenbahn noch nicht vollständig ausgereift ist. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Babinski-Reflex: Wird die Fußsohle gereizt, spreizen sich die Zehen fächerförmig – ein Phänomen, das als „Fächerzeichen“ bezeichnet wird. Dieses Reflexverhalten ist bei Säuglingen normal, gilt jedoch beim Erwachsenen als Hinweis auf eine mögliche Schädigung des zentralen Nervensystems, insbesondere im Bereich des Hirnstamms.

Primitivreflexe hingegen sind bei Säuglingen physiologisch und verschwinden im Normalfall im Verlauf der neurologischen Reifung. Beim Erwachsenen treten sie allerdings erneut auf, wenn es zu diffusen Hirnläsionen kommt, beispielsweise im Rahmen neurodegenerativer Erkrankungen. Zu den bekanntesten Primitivreflexen gehören der Saugreflex, der Palmomentalreflex – ein Greifreflex, der bei Reizung der Handfläche ausgelöst wird – sowie der Schnauzreflex, bei dem eine Reizung des seitlichen Mundrandes eine Bewegung der Lippen zur Mitte hin auslöst.

Das Wiederauftreten solcher Reflexe beim Erwachsenen kann somit ein bedeutender Hinweis auf eine zentrale Schädigung des Gehirns sein und erfordert eine weiterführende neurologische Abklärung.


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