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Kompetenz der Pflegeassistenz: Kontrakturprophylaxe

Unterrichtsfächer: Grundzüge und Prinzipien der Akut- und Langzeitpflege inklusive Pflegetechnik & Bewegungslehre


Die Pflegeassistenz erhält durch gezielte Bewegungsförderung und Lagerungstechniken die Beweglichkeit der Patientinnen und Patienten. Die Kontrakturprophylaxe ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Ihr umfangreiches Wissen über Gelenkversteifungen hilft Patientinnen und Patienten, ihre Mobilität zu erhalten und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen zu vermeiden.

Auch für Fachsozialbetreuer ist ein fundiertes Wissen über das Risiko von Kontrakturen und deren Prophylaxe von großer Bedeutung. Sie begleiten Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen und fördern aktiv deren Mobilität, um das Risiko von Gelenkversteifungen zu verringern. Diplom-Sozialbetreuer wiederum übernehmen eine koordinierende Funktion. Sie müssen über die interdisziplinäre Planung der Kontrakturprophylaxe umfassend informiert sein. Dadurch können sie Teams und Angehörige kompetent anleiten und die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen sicherstellen.


Letzte Aktualisierung: 23.11.2024

INFO: DIESES THEMA IST BESONDERS RELEVANT FÜR DIE KOMMISSIONELLE ABSCHLUSSPRÜFUNG!

Das muss die Pflegeassistenz wissen:
➤ Die Faktoren kennen, die die ABEDL „Sich bewegen“ beeinflussen.
➤ Die physiologischen Bewegungsmuster und ihre Veränderungen kennen.
➤ Umfassend Auskunft über Kontrakturprophylaxe geben.

1. Definition Kontraktur

Eine Kontraktur ist eine Bewegungseinschränkung eines Gelenks durch Verkürzung von Muskeln, Sehnen, Bändern und Versteifung der Gelenkkapseln. In vielen Fällen ist eine Kontraktur irreversibel.

2. Symptome einer Kontraktur

Auch für Bewegungslehre-Test!

• Fehlstellung der betroffenen Extremitäten
• Zwangshaltung (Überbelastung, Unterbelastung)
• schmerzhafte Bewegungseinschränkung
• unharmonischer Bewegungsablauf
• verkürzte Sehnen und Bänder

Kontrakturen reduzieren die Lebensqualität von Personen erheblich!!!

3. Formen der Kontraktur

Es gibt verschiedene Formen der Kontraktur:

  • Streckkontraktur: vollständige Beugung nicht möglich.
  • Beugekontraktur: vollständige Streckung im Gelenk nicht möglich.
  • Spitzfußstellung: Ist eine Streckkontraktur. Entsteht durch das Eigengewicht des Fußes und den Auflagedruck der Bettdecke.
  • Adduktionskontraktur: Das Gelenk ist in Richtung Körpermitte (nach Innen) gezogen und kann nicht mehr seitlich abgespreizt werden.
  • Abduktionskontraktur: Das Gelenk abduziert vom Körper weg (nach Außen) und kann nicht mehr an den Körper herangeführt werden.

Die häufigste Kontraktur bei Bettlägerigkeit ist der Spitzfuß.

4. Ursachen für Kontrakturen

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• Immobilität und Bettlägerigkeit
• Pflege- und Behandlungsfehler (z.B nicht fachgerecht positioniert bzw. mobilisiert)
• als Folge von Lähmungen (neurogene Kontrakturen)
• durch Schonhaltung (z.B. chronische Schmerzen)
• als Folge von Gelenkdeformation (z.B. bei Arthrose, Arthritis, Gicht, Rheuma)
• angeborene Fehlbildungen
• im Rahmen psychischer Erkrankungen
• als Folge großflächiger Narben (z.B. schwere Verbrennungen)

Die häufigste Entstehungsursache von Kontrakturen ist die Immobilität von PatientInnen (langzeitige Bettlägrigkeit, ständiges Sitzen im gleichen, kurze kleinschrittige Fortbewegung mit dem Rollator oder mit dem Stock). Jede Bindegewebsart (Knochen, Muskel, Bänder, Sehnen, Kapsel) benötigt ganz spezielle Impulse, um optimal zu funktionieren. Wenn diese Impulse fehlen, passen sich die Strukturen der immobilisierten Situation an.

Fallbeispiel:

Vor 6 Monaten erlitt der 72-jährige Herr K. bei einem Stolpern im Garten eine Humerusfraktur. Aufgrund seines Alters, eines geschwächten Allgemeinzustands und einer bestehenden chronischen Lungenerkrankung wurde auf eine operative Versorgung des Arms verzichtet. Stattdessen wurde die Fraktur mit einer längeren Immobilisierung durch eine Armschlinge behandelt, was zwar zur Ausheilung des Bruchs führte, Herrn K. jedoch insgesamt stark schwächte. Trotz physiotherapeutischer Übungen konnte er seine Beweglichkeit nicht vollständig wiedererlangen. Vor 3 Wochen wurde er auf eigenen Wunsch aus der Rehabilitation entlassen und wird nun zu Hause von seiner Tochter betreut. Er zeigt keine Anzeichen von Atemproblemen, Dekubitus oder Thrombosen, hat einen guten Appetit, trinkt ausreichend und schläft gut. Dennoch klagt Herr K. seit einigen Tagen über Schmerzen, wenn er seine Arme oder den Oberkörper bewegt. Auch kurzes Aufsetzen im Bett fällt ihm zunehmend schwer. Dieser veränderte Zustand lässt sich durch die langanhaltende Immobilität zu Hause ohne professionelle Betreuung erklären, was zu einer Entwicklung von Gelenkversteifungen in den betroffenen Extremitäten und im Rumpf geführt hat, unabhängig von der verheiltenden Armfraktur.

Ohne sofortige Maßnahmen zur Abhilfe könnten sich bei Herrn K. weitere ernsthafte Einschränkungen entwickeln:

• Fähigkeit, die Körperlage im Bett selbstständig zu verändern, könnte völlig verloren gehen (z.B.: Heben der Hand zum Gesicht)
• Abspreizen der Hand (z.B.: beim Waschen)
• Schmerzen beim Positionieren (Maßnahmen zur Dekubitus- und Pneumonieprophylaxe!)
• erschwerte Nutzung eines Rollstuhls (Erhalt der Selbstständigkeit)

5. Kontrakturprophylaxe

Das Ziel der Kontrakturprophylaxe:
• Gelenkbeweglichkeit fördern (Durchbewegen der Gelenke)
• Bewegungseinschränkungen verhindern (möglichst frühzeitige Mobilisation)
• Körperwahrnehmung fördern (z.B. Gehen auf bzw. Greifen von unterschiedlichen Oberflächen)
• weitere Muskelverkürzungen vermeiden (regelmäßige Positionswechsel)

PhysiotherapeutInnen führen Bewegungsübungen mit den PatientInnen durch. In vielen Fällen können sie die Beweglichkeit und Funktionalität der Gelenke wiederherstellen. Eine Extremität mit weit fortgeschrittener Kontraktur ist jedoch in der Regel nicht vollständig wiederherstellbar.

Wie jede Prophylaxe macht auch die Kontrakturprophylaxe nur Sinn, wenn sie regelmäßig ausgeführt wird!!!

6.1 Kontrakturprophylaktische Maßnahmen (Auch für Bewegungslehre-Test!)

Schwerpunkt: allgemeine Mobilitätsförderung

Aktive Maßnahmen: Eigenständigkeit und Eigenaktivität fördern (ggf. mit Hilfsmitteln), ressourcenorientierte Unterstützung
Passive Maßnahmen: Positionswechsel, Körperwahrnehmung fördern (z.B. Basale Stimulation)

Die zwei Säulen der Kontrakturprophylaxe:
Bewegungsübungen und Positionierung

Maßnahmen zur Kontrakturprophylaxe
• Gehen ist die beste Kontrakturprophylaxe. Gehhilfen sinnvoll einsetzen!
• Positionierung mit oder ohne Hilfsmittel
• Seitliche Stabilisation mit Lagerungshilfen

Bewegungsübungen, die auch von der Pflegeassistenz übernommen werden können:

  • Aktive Übungen: Betroffene führen Bewegungsübungen nach Anleitung einer PhysiotherapeutIn selbstständig durch. z.B. Übergang von der Rückenlage in die Quadrupedposition (Vierfüßlerstand)
  • Aktiv assistierte Übungen: Betroffene führen die Übungen selbst durch, die PflegeassistentIn greift unterstützend ein, z.B. die Schwere der Extremität wird abgenommen
  • Passive Übungen: werden vollständig von der Pflegeassistenz ausgeführt, z.B. Zehen oder Finger sanft durchbewegen
  • Isometrische Übungen: Anspannungsübungen. Trainiert die Muskelkraft. Sie werden durchgeführt, wenn eine Extremität nicht bewegt werden darf, z.B. nach einer Fraktur.

🪢 🧩💡 Erinnerungsknoten: Was sind isometrische Übungen? 💡🧩 🪢

Die Durchführung von Bewegungsübungen:

  • Bewegungsfreiraum schaffen
  • Für Sicherheit sorgen (Blasenverweilkatheter, Infusionen, Drainagen,…)
  • Information
  • Anregung zur aktiven Mitarbeit
  • Einschätzung Kreislaufsituation, Schmerzen, Allgemeinzustand,…
  • Bei Bettlägrigen: möglichst flache Position, damit ein volles Bewegungsausmaß erreicht werden kann, leichte Oberkörperhochlagerung ist möglich
  • langsam, rhythmisch und unter leichtem Zug (verhindert ein Reiben der Gelenkflächen) durchführen
  • Bewegungen erfolgen generell von distal nach proximal
  • nicht in die Gelenke fassen
  • Bewegungen immer nur bis zur Schmerzgrenze ausführen
  • Bewegungen mindestens drei- bis fünfmal durchführen (außer bei Schmerz)
  • für einen Trainingseffekt sind zehn Wiederholungen notwendig
  • zwei- bis dreimal pro Tag durchführen

Risikoerkennung, Maßnahmenplanung, Durchführung und Evaluation sind Bestandteile der Kontrakturprophylaxe.

6. Der Spitzfuß

Auch für den Bewegungslehre-Test!

Der Spitzfuß ist eine Streckkontraktur. Die Wadenmuskeln ziehen sich dabei dauerhaft zusammen; der Fuß bleibt in Plantarflexion (zeigt nach unten).

Beim Spitzfuß spricht man von Plantarflexion, um die Bewegungen des Sprunggelenks und des Fußes zu beschreiben. Plantarflexion = zur Fußsohle.

Beim Spitzfuß ist ein Ungleichgewicht zwischen Dorsalflexion und Plantarflexion vorhanden: Die Plantarflexion ist überaktiv, während die Dorsalflexion stark eingeschränkt ist. (Dorsalflexion = zum Schienbein)

Spitzfuß Symptome
• Fuß und Zehen zeigen nach unten (Plantarflexion), das Bein wirkt „zu lang“
• Betroffene berühren den Boden nur mit den Zehenspitzen
• Kein Abrollen über die gesamte Fußsohle möglich
• erheblich eingeschränkte Mobilität

7. Spitzfuß: Gefährdete Personengruppen

  • Personen mit lang dauernder Fehlhaltung des Fußes bei Immobilität.
  • Personen mit Lähmungen des Beines, z.B.: durch Ausfälle des zentralen Nervensystems oder peripherer Nerven (z.B. Verletzung)
  • Die Spitzfußentwicklung steht immer in Verbindung mit längerer Rückenlage.

Schon das Gewicht der Decke kann den Fuß in Plantarflexion bringen!

8. Spitzfußprophylaxe

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Pflegerische Maßnahmen bei Spitzfuß

die beste Spitzfußprophylaxe: das Sitzen bei Tisch (auf einem Stuhl, Trittbretter beim Rollstuhl belasten die Füße nicht gleichzeitig)
• Wenn die betroffene Person mehrmals täglich auf ihren Füßen steht, ist die Spitzfußprophylaxe gewährleistet
• Füße beim Waschen aufstellen, Fersen nicht hochheben, nicht in die Gelenke greifen
• Zehen und Fußsohlen gezielt mit Spürinformation versorgen (z.B. Abrollen der Fußsohlen über eine Massagerolle, regelmäßig barfuß auf unterschiedlichen Untergründen laufen, z.B. Sand, Gras oder Kies)
• Bewegungsübungen des Fußes:
– bei angehobenem Unterschenkel Fuß in Richtung Schienbein drücken
– bei angehobenem Unterschenkel und gebeugtem Knie Ferse nach vorne ziehen, Knie dabei strecken

Video: Spitzfußprophylaxe, Kubivent GmbH, youtube

Spitzfuß als Folge einer Hemiplegie vermeiden!
Der Spitzfuß kann eine Folge- bzw. Sekundärerkrankung einer Hemiplegie (vollständige Lähmung einer Körperhälfte, z.b. nach einem Schlaganfall). Die Hauptursachen für einen Spitzfuß bei Hemiplegie sind:

  • Spastizität: Ein erhöhter Muskeltonus in den Wadenmuskeln, der den Fuß in der Spitzfußposition hält.
  • Schwäche der Gegenspieler: Die Muskeln, die den Fuß nach oben ziehen (Dorsalflexoren), sind geschwächt oder gelähmt.
  • Bewegungseinschränkungen und Kontrakturen: Durch eine reduzierte Bewegung des betroffenen Beins können sich Sehnen und Muskeln verkürzen.
  • Unzureichende Rehabilitation: Wenn nach einer Hemiplegie keine rechtzeitige physiotherapeutische Behandlung erfolgt, erhöht sich das Risiko für die Entwicklung eines Spitzfußes.

Die Behandlung zielt darauf ab, die Beweglichkeit des Fußes zu verbessern, die Spastik zu reduzieren und einer dauerhaften Fehlstellung vorzubeugen. Dazu gehören Physiotherapie, Orthesen, Botox-Injektionen zur Muskelentspannung und in schweren Fällen operative Eingriffe.

Die Kontrakturprophylaxe umfasst gezielte Maßnahmen zur Förderung der Beweglichkeit und zur Verhinderung von Gelenkversteifungen. Ein frühzeitiges Mobilisieren und das regelmäßige Durchbewegen der Gelenke erhält die Gelenkbeweglichkeit. Bewegung und unterstützende Positionierungstechniken spielen hier eine zentrale Rolle.

Bild: https://pixabay.com, @pexels