Kommentarliteratur zum Thema „Recht für die Pflegeassistenz“
18.10.2025
Zum Tätigkeitsbereich von Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten gehört laut § 83 Abs. 4 Z 7 GuKG „die Durchführung von Sondenernährung bei liegenden Magensonden“. Um entscheiden zu können, über welche Zugänge man als Pflegeassistenz die Sondenernährung durchführen darf, muss man wissen, welche Systeme genau unter den Begriff der „liegenden Magensonde“ fallen.
„Liegende Magensonde“ – umfasst das die Nasensonde?
Ja. Der Begriff Magensonde in GuKG § 83 ist als Oberbegriff für alle Zugänge zum Magen zu verstehen, unabhängig davon, ob die Sonde durch die Nase, den Mund oder durch die Bauchdecke gelegt wurde.
Unter „liegende Magensonde“ fallen nasogastrale Sonden ebenso wie PEG-Sonden oder Gastrotubes[1].
Eine Nasensonde (nasogastrale Sonde) ist somit eine Form der Magensonde[9]. Folglich ist Nahrung über eine Nasensonde zu verabreichen vom Wortsinn der Sondenernährung bei liegender Magensonde erfasst. Die Pflegeassistenz verabreicht hierbei die vorbereitete Sondennahrung durch die bereits liegende Sonde, egal auf welchem Weg diese in den Magen führt.
Wichtig ist jedoch, dass die Sonde von entsprechend qualifiziertem Personal gelegt und die Lage kontrolliert wurde – Pflegeassistenten* selbst dürfen die Sonde nicht legen.
Rechtslage und Auslegung des GuKG § 83 (Sondenernährung durch Pflegeassistenz)
Laut § 83 Abs. 4 Z 7 GuKG gehört die „Durchführung von Sondenernährung bei liegenden Magensonden“ ausdrücklich zum Tätigkeitsbereich der Pflegeassistenz. Das bedeutet: Pflegeassistenzkräfte dürfen Sondennahrung verabreichen, sofern bereits eine Magensonde gelegt ist. Diese Aufgabe ist Teil der mit der GuKG-Novelle 2016 neu definierten Kompetenzen der Pflegeassistenz[3]. Wie alle Tätigkeiten der Pflegeassistenz im Bereich Diagnostik und Therapie gilt jedoch, dass dies nur nach ärztlicher Anordnung und unter Aufsicht einer diplomierten Pflegeperson oder eines Arztes* erfolgen darf[4].
Praktisch delegiert also in der Regel die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson (DGKP) das Verabreichen der Sondennahrung an die Pflegeassistenz und überwacht die Durchführung.
Wichtig ist der Kontext der „stabilen Pflegesituation“
Die Pflegeassistenz darf grundsätzlich nur in stabilen Betreuungssituationen[6] tätig werden.
Stabil heißt, dass der Gesundheitszustand der Pflegeperson und die Pflegemaßnahmen im erwartbaren, ruhigen Rahmen verlaufen – es bestehen keine akuten Komplikationen oder vitalen Bedrohungen. Bei einer Nasensonde in stabiler Situation kann die Pflegeassistenz also nach Anordnung die Sondenernährung durchführen. Sobald jedoch Unsicherheiten oder Komplikationen auftreten (z.B. Unklarheit über die Sondenlage, Aspirationsgefahr, Erbrechen, Unwohlsein des Patienten*), ist dies keine stabile Pflegesituation mehr. In solchen Fällen muss umgehend eine diplomierte Pflegekraft oder ein Arzt übernehmen. Das GuKG § 83 verlangt nämlich, dass eine Pflegeassistenz im Notfall ihre Grenzen erkennt und nicht eigenmächtig in instabilen Situationen agiert – außer zur Ersten Hilfe[6], und dann auch nur so lange, bis professionelle Hilfe eintrifft.
Diese Vorgabe ist indirekt auch in § 83 GuKG verankert: Einige delegierbare Tätigkeiten sind explizit mit „in stabilen Pflegesituationen“ eingeschränkt (z.B. Absaugen aus dem Atemweg). Für die Sondenernährung selbst erwähnt das Gesetz das „stabil“ zwar nicht direkt im Wortlaut, doch der Grundsatz dahinter gilt genauso: Der Patient* muss klinisch stabil sein, damit die Pflegeassistenz gefahrlos die Ernährung über Sonde vornehmen kann. In der Praxis bedeutet das meist, dass eine Pflegefachkraft zunächst die korrekte Lage der Sonde überprüft und die erste Nahrungsgabe beaufsichtigt. Erst wenn alles problemlos funktioniert („stabile Situation“), darf die weitere Sondennahrung routinemäßig von der Pflegeassistenz verabreicht werden. Diese Auslegung wird allgemein von Fachleuten geteilt und entspricht dem Prinzip der Patientensicherheit*.
Auch in Standardlehrbüchern und offiziellen Handreichungen wird die Sondenernährung durch Pflegeassistenz als erlaubte Tätigkeit aufgeführt, aber immer gekoppelt an strenge Sorgfaltsauflagen[7]. Dazu zählt etwa, vor dem Verabreichen der Nahrung die Durchgängigkeit der Sonde sicherzustellen, die richtige Position (Oberkörperhochlagerung) einzunehmen und den Vorgang aufmerksam zu beobachten. Fehler wie unsachgemäßes Verabreichen oder Unterlassen von Kontrollmaßnahmen können zu Pflegefehlern mit Haftungsfolgen führen – die Literatur mahnt hier also besondere Umsicht an.
Empfehlungen von Berufsverbänden und offiziellen Stellen
Verschiedene Berufsverbände und Institutionen haben zur Durchführung der Sondenernährung durch die Pflegeassistenz Stellung genommen. Allgemein wird der Tenor deutlich, dass fachliche Schulung, genaue Anordnung und engmaschige Kontrolle unerlässlich sind, wenn die Pflegeassistenz diese Aufgabe übernehmen soll.
- Arbeiterkammer: Die Arbeiterkammer Niederösterreich hat einen Pocket-Guide zu den „Medizinischen Kompetenzen in der Pflege“ herausgegeben (Stand 2024), der die neuen Befugnisse auflistet. Darin wird betont, dass diese Tätigkeiten erst nach Erwerb der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten ausgeübt werden dürfen[8]. Die Pflegeassistenz muss durch Fort- und Weiterbildungen sicherstellen, dass sie die Sondenernährung sachgerecht beherrschen. Weiters weist die AK darauf hin, dass Dienstgeber intern die erlaubten Kompetenzen einschränken können. Mit anderen Worten: Auch wenn das Gesetz es zulässt, kann ein Krankenhaus oder Pflegeheim entscheiden, dass z.B. Sondenernährung vorerst nur vom diplomierten Personal durchgeführt wird, bis man genügend Sicherheit hat, dass die Assistenzkraft dafür qualifiziert ist. Diese Haltung deckt sich mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers* und dem Ziel, Patienten* nicht zu gefährden.
- Trägerorganisationen (z.B. Pflegeheime): Kurz nach Inkrafttreten der GuKG-Novelle 2016 hat der Bundesverband Lebenswelt Heim (eine Interessenvertretung der Alten- und Pflegeheime) ein Rundschreiben mit Empfehlungen veröffentlicht. Darin wurde betont, dass die ehemals als Pflegehelfer* tätigen Mitarbeiter* auf die neuen Aufgaben vorbereitet werden müssen. Insbesondere empfahl der Verband, Tätigkeiten wie die Sondenernährung vorerst per Dienstanweisung auszuklammern, bis die betreffenden Pflegeassistenzkräfte ausreichende Schulung und praktische Kompetenz dafür erworben haben[3]. Man wies auch auf mögliche Haftungsrisiken (Stichwort „Einlassungs- und Übernahmesfahrlässigkeit“) hin, falls ungeschulte Kräfte komplexe medizinische Handlungen durchführen. Patientensicherheit hat dabei ausnahmslos immer oberste Priorität. Erst wenn sichergestellt ist, dass die Pflegeassistenz im Umgang mit der (Nasen-)Sonde routiniert ist, sollte ihr diese Aufgabe übertragen werden.
Aus berufsrechtlicher Sicht ist es in Österreich erlaubt, dass die Pflegeassistenz Sondennahrung über eine Nasensonde verabreicht – vorausgesetzt, die Sonde liegt bereits korrekt im Magen und die Situation ist stabil. Alle relevanten Stellen – vom Gesetzgeber über juristische Kommentatoren bis zu Berufsverbänden – unterstreichen jedoch, dass hierbei besondere Sorgfaltspflichten gelten. Die Anordnung durch den Arzt und Aufsicht durch diplomiertes Personal sind zwingend, und die praktische Umsetzung muss durch Schulung und klare Arbeitsanweisungen abgesichert sein. Im Zweifel gilt: Die Sicherheit und das Wohl des Patienten* stehen ausnahmslos immer an erster Stelle.
Quellen:
[1] Aufschulung von der Pflegehilfe zur Pflegeassistenz, S. 61, Volkshilfe Steiermark, stmk.volkshilfe.at
[2] § 83a GuKG, Tätigkeitsbereich der Pflegefachassistenz, Abs. 4 Z 3, RIS, ris.bka.gv.at
[3] Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs, lazarus.at
[4] § 83 GuKG, Tätigkeitsbereich der Pflegeassistenz, RIS, ris.bka.gv.at
[5] PA/PFA – Rechtsauslegung zu neuen Kompetenzen, Forum Gesundheitsrecht, gesundheitsrecht.at
[6] Der Unterschied zwischen einer stabilen und einer instabilen Pflegesituation, fachsozialbetreuer.co.at
[7] Die allgemeine Berufs- und Sorgfaltspflicht der Pflegeassistenz, fachsozialbetreuer.co.at
[8] Medizinische Kompetenzen in der Pflege, Arbeiterkammer NÖ, noe.arbeiterkammer.at
[9] „Magensonde“, DocCheck, flexikon.doccheck.com
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