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Die Geschichte der Pflege: Antike

Kommentarliteratur zum Thema „Geschichte der Pflege“ des Fachs „Sozialbetreuung als Beruf“

13.04.2025

Die Antike legte das Fundament für das Gesundheitswesen des mittelalterlichen Europas. Viele ihrer Konzepte und Prinzipien wirken bis in die Gegenwart fort.

Medizin war in der Antike ein religiöses Geschehen – bis der griechische Arzt Hippokrates auf der Bildfläche erschien und die Medizin erstmals davon löste. Bis dahin wurde Krankheit ausnahmslos religiös oder magisch gedeutet. Sie galt als Strafe der Götter, als Folge von Sünden oder als Wirkung böser Geister. Heilung geschah durch Gebete, Rituale, Opfer oder durch Priester, Seher und Tempeldiener. Im antiken Griechenland beteten die Menschen in den Tempeln von Asklepios, des griechischen Gottes der Heilkunst8), um Heilung.

Für Heilung beten und fasten

Aber schon zur Zeit, in der die Menschen noch ins Asklepieion11) gingen, um für Heilung zu beten, hatte die Diätetik bereits medizinisch-therapeutische Bedeutung. Neben dem Beten gehörte auch das Fasten zu den rituellen und therapeutischen Maßnahmen, die in den griechischen Tempeln praktiziert und empfohlen wurden. Fasten war ein fester Bestandteil der antiken Gesundheitslehre. Durch Nahrungsentzug sollte der Körper entlastet und die „krank machenden Säfte“ ausgeleitet werden. Besonders bei fieberhaften Erkrankungen oder Verdauungsproblemen wurde gezieltes Fasten empfohlen.

Hippokrates: Der Vater der modernen Medizin

Als einer der ersten, der das Fasten nicht nur als rituelle Reinigung, sondern als medizinische Therapie verstand, gilt der griechische Arzt und Lehrer Hippokrates (ca. 370 v. Chr) 1). Er legte großen Wert darauf, Krankheiten nicht auf göttliche Strafen zurückzuführen, sondern auf natürliche Ursachen – sichtbar im Körper und erklärbar durch logisches Denken. Deshalb wird er bis heute als Vater der wissenschaftlichen Medizin angesehen.

Doch nicht nur seine ersten Ansätze zu einer systematisch begründeten Medizin machen Hippokrates bis heute bedeutsam. Neben seinen medizinischen Erkenntnissen ist er vor allem auch für seine ethischen Grundsätze bekannt, die mit dem „hippokratischen Eid“ das Fundament der ärztlichen Berufsethik legten. Der sogenannte „hippokratische Eid“12) formulierte erstmals verbindliche Regeln ärztlichen Handelns – darunter die Pflicht zur Hilfeleistung, zur Verschwiegenheit und zur Achtung des Lebens.

Schon zu Lebzeiten galt Hippokrates als Autorität und Lehrer der Heilkundigen. Seine Popularität ebbte auch nach vielen Jahrhunderten nicht ab. Der griechische Arzt und Anatom Galen von Pergamon (2. Jh. n. Chr.)2), der ca. 500-600 Jahre nach Hippokrates lebte, übernahm viele hippokratische Prinzipien und empfahl ebenfalls Fasten, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Dabei achtete er sehr genau auf individuelle Konstitutionen (sanguinisch, cholerisch, melancholisch und phlegmatisch)3), die Elemente (Feuer, Wasser, Luft, Erde) und die Jahreszeiten (warm/kalt, feucht/trocken).

Die Vier-Säfte-Lehre, die Temperamentelehre und die Elementelehre waren Konzepte der Humoralpathologie5), wie sie von Hippokrates begründet und später von Ärzten wie Galen weiterentwickelt wurde. Krankheit galt in diesem medizinischen Modell als Ausdruck eines gestörten Gleichgewichts der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle)4). Ziel der Behandlung war es, dieses Gleichgewicht durch diätetische Maßnahmen, Aderlass oder andere ausleitende Verfahren (Schröpfen, Einnahme von pflanzlichen Laxantien, Diuretika oder Emetika, Einläufe – alles Therapien, die heute von Pflegepersonen durchgeführt werden) wiederherzustellen. Bereits in dieser Zeit beobachteten Ärzte Krankheitsverläufe systematisch, dokumentierten Symptome und bewerteten den Erfolg ihrer Behandlungen auf empirischer Grundlage. Die Ursprünge der Pflegedokumentation reichen also bis in die Antike zurück.

Das holistische Menschenbild – Grundlage aller Heilkunde

Die medizinischen Konzepte, die Hippokrates entwickelte, basierten im Kern auf einem holistischen Menschenbild, das Körper, Geist, Seele und Umwelt als untrennbare Einheit versteht. Die Therapien zielten nicht auf die Bekämpfung einzelner Symptome ab, sondern auf die Harmonisierung des gesamten Organismus. Erreicht werden sollte dieses Gleichgewicht durch eine gezielte „Lebensordnung“ (griechisch: diaita), die weit über unsere heutige Vorstellung von „Diät“ hinausging. Gemeint war ein umfassendes Konzept, das Ernährung, Fasten, regelmäßigen Schlaf, körperliche Bewegung, Umweltanpassung, eine saubere Umgebung sowie seelische Balance miteinander verband. Hippokrates verstand die diaita als eine Form ganzheitlicher Gesundheitspflege – nicht nur im körperlichen, sondern auch im seelischen Sinn. In diesem Zusammenhang kann sie als eine frühe Form unseres heutigen Konzepts des Psychohygiene betrachtet werden.

Alchemie: Die Ursprungsdisziplin von Chemie und Pharmazie

Auch die Natur spielte in der antiken Medizin eine Rolle. Heilpflanzen, Mineralien und tierische Substanzen wurden sorgfältig beschrieben und systematisiert. Besonders bedeutend war die Materia Medica10) des griechischen Arztes Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.)9). In ihr beschrieb er rund 600 Heilpflanzen sowie zahlreiche tierische und mineralische Substanzen, ihre Eigenschaften, Anwendungsgebiete und Zubereitungsformen. Das Werk galt über Jahrhunderte als Standardwerk der Arzneimittelkunde und bildete die Grundlage für die europäische Pharmakologie des Mittelalters.

In der Antike gewann auch die Alchemie an Bedeutung. Auch sie wurde nicht nur als Kunst der Stoffverwandlung verstanden, sondern – ganz im Sinne des holistischen Menschenbildes – auch als Symbol für innere Reinigung und geistige Erneuerung. Elixiere aus destillierten Heilpflanzen und metallische Arzneien wie etwa Quecksilberpräparate oder Goldtinkturen wurden hergestellt, um Krankheiten zu behandeln und das Gleichgewicht im Körper zu fördern. Bereits in dieser Zeit spalteten sich die Alchemisten in zwei Lager – in eine praktisch-medizinisch orientierte und eine hermetisch-philosophisch ausgerichtete Gruppe. Während die einen auf die alchemistische Transformation des Menschen abzielten, verfolgten die anderen das Ziel, unedle Metalle wie Blei in Gold zu verwandeln. Aus der erstgenannten Richtung entwickelte sich später die hermetische Philosophie, aus der zweiten gingen im Lauf der Jahrhunderte die moderne Chemie und Pharmakologie hervor.

Erste Ansätze eines Hygieneverständnisses

Nicht zuletzt spielte in der Antike auch Hygiene bereits eine wichtige Rolle – wenn auch auf eine andere Weise und mit anderen Mitteln als in der heutigen Zeit. Das antike Verständnis von Sauberkeit und Krankheitsvermeidung entsprach noch nicht dem modernen Konzept von Mikroben, Desinfektion oder Sterilität, doch es existierten bereits klare Vorstellungen davon, dass Reinheit, Frischluft, Wasser und Ordnung wesentlich zur Gesundheit beitragen konnten.

Besonders im Römischen Reich entwickelte sich ein bemerkenswert ausgeklügeltes System öffentlicher Hygiene, das seiner Zeit weit voraus war. Große Städte wie Rom, Pompeji oder Trier verfügten über ein dichtes Netz an Aquädukten, die sauberes Wasser aus entfernten Quellen in die Stadt leiteten – für Haushalte, Brunnen, Thermen und öffentliche Latrinen. Die öffentlichen Badehäuser (Thermen) waren nicht nur Orte der Körperpflege, sondern auch des sozialen Austauschs, der Entspannung und, in gewissem Sinne, der Gesundheitsvorsorge. Auch eine Kanalisation war vielerorts vorhanden und sorgte dafür, dass Abwässer aus den Städten geleitet wurden – eine Maßnahme, die zumindest indirekt zur Eindämmung von Seuchen beitrug.

Selbst im römischen Militär wurde auf Hygiene geachtet. Die Legionen verfügten über ein eigenes, gut organisiertes Sanitätswesen, das sich unter anderem in den sogenannten Valetudinaria zeigte – fest eingerichtete Feldlazarette für verwundete oder kranke Soldaten. Diese Einrichtungen verfügten über getrennte Schlafräume, Behandlungsbereiche, Wasserleitungen und oft sogar über primitive Formen von Desinfektion mit Wein oder Essig.

Die Pflege in der Antike war weiblich

Die Pflege in der Antike war informell organisiert und wurde vor allem von Frauen im häuslichen Bereich oder von SklavInnen und DienerInnen übernommen. Eine eigenständige Pflegeprofession gab es noch nicht, dennoch verfügten viele Frauen über ein beachtliches praktisches Wissen, das sich aus Tradition, Erfahrung und mündlicher Überlieferung speiste. Ihr Wissen beruhte auf Beobachtung und Weitergabe über Generationen. Frauen kannten sich mit Heilpflanzen, Salben, Wickeln und Hausmitteln aus. Sie sammelten, verarbeiteten und verabreichten Heilkräuter bei Fieber, Wunden, Frauenleiden oder Magenbeschwerden, verfügten über umfangreiche praktische Kenntnisse in Schwangerschaftsbetreuung, Geburtsbegleitung, Wochenbettpflege und Kinderheilkunde, wussten, wie man Fieber erkennt, wie man Betroffene lagert, wäscht, ernährt und tröstet – alles Tätigkeiten, die im Frühmittelalter mit aufkommenden Christentum in Klöstern institutionalisiert wurden (Caritas) und von PflegerInnen bis heute in ähnlicher Form ausgeführt werden.

Während die Medizin in der Antike bereits systematisiert und schriftlich dokumentiert wurde, agierte die Pflege weitgehend im Verborgenen. Sie fand im häuslichen Umfeld statt – meist ausgeübt von Frauen, deren praktisches Wissen zwar in medizinischen Texten überliefert wurde, deren Namen jedoch ungenannt blieben. Mit ihrem Wissen schmückten sich andere. Im Kern waren es jedoch die Frauen, die maßgeblich zur Entwicklung der Heilkunde beitrugen.

  1. Hippokrates, wikipedia
  2. Galenos, wikipedia
  3. Temperamentenlehre, wikipedia
  4. Vier-Säfte-Lehre, thieme-connect.de
  5. Humoralpathologie, doccheck.com
  6. Avicenna, wikipedia
  7. Rhazes. wikipedia
  8. Äskulapstab, wikipedia
  9. Dioskurides, uni-regensburg.de
  10. Materia Medica, pharmawiki.ch
  11. Asklepieion, wikipedia
  12. Hippokratischer Eid, wikipedia

Beitragsbild: ©pixabay.com, @GregMontani