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Die Geschichte der Caritas

Kommentarliteratur zum Thema „Geschichte der Pflege“ des Fachs „Sozialbetreuung als Beruf“

13.04.2025

Die Geschichte der Caritas ist eng mit der Geschichte des Christentums verbunden und spiegelt den Wandel kirchlicher Nächstenliebe im Laufe der Jahrhunderte wider. Heute arbeitet die Caritas in interreligiöser Offenheit und berücksichtigt in der Ausbildung von FachsozialbetreuerInnen alle kulturellen und religiösen Hintergründe. Die Pflege- und Betreuungsmodelle orientieren sich dabei an den Grundsätzen interkultureller Pflege.

Der Begriff „Caritas“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe oder Barmherzigkeit – konkret die christliche Liebe zum Nächsten. In der frühen katholischen Kirche war die Caritas unmittelbar gelebte Solidarität innerhalb der Gemeinden. ChristInnen teilten Güter, unterstützten Arme, Waisen und Witwen. Schon die Apostelgeschichte berichtet von der Versorgung Bedürftiger durch die Gemeinde.

Das Frühmittelalter: Christliche Krankenpflege wird zum Gesetz

Im 4. Jahrhundert n.Chr. hatte Rom seinen größten wirtschaflichen und politischen Einfluss bereits an Konstantinopel verloren; als religiöses Zentrum des Westens blieb es jedoch weiterhin erhalten. Inmitten politischer Krisen, Wirtschaftseinbrüchen, Plünderungen und Machtverlagerungen gewann der Bischof von Rom – später der Papst – an Ansehen und Einfluss.

Verantwortlich dafür war das Toleranzedikt von Mailand (313 n. Chr.) und die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion (380 n. Chr.) durch Kaiser Theodosius I., mit dem die Kirche erstmals rechtlich, materiell und organisatorisch in der Lage war, öffentliche Fürsorgeeinrichtungen zu gründen. Rom als „Hauptstadt der Kirche“ war ein logischer Ausgangspunkt dafür. Päpste wie Siricius und Innozenz I. begannen im späten 4. und frühen 5. Jahrhundert, die ersten Xenodochien in und um Rom (395 n.Chr. in Ostia)1.) zu gründen.

Bald darauf entwickelte der Benediktinermönch Benedikt von Nursia (um 480–547 n.Chr.)4.) als Antwort auf die Entwicklungen in Rom die Regula Benedicti (Benediktsregel), die die Gleichwertigkeit von Gebet, Arbeit und Hilfe für Kranke und Bedürftige betonte. Die Caritas wurde daraufhin in den Klöstern institutionalisiert und von Nonnen und Mönchen durchgeführt.

Benediktinerklöster wurden zu den ersten Zentren der christlichen Caritas in Europa. Sie nahmen Arme, Kranke und Pilger auf, versorgten sie medizinisch, gaben ihnen zu essen und boten Unterkunft. Die Benediktsregel selbst enthält konkrete Anweisungen zur Fürsorge für Kranke und zur liebevollen Aufnahme von Gästen – Benedikt sah in ihnen Christus selbst („Omnes hospites tamquam Christus suscipiantur“ – „Alle Gäste sollen aufgenommen werden wie Christus“). Später gründeten auch Franziskaner, Dominikaner und andere Orden Klöster zur Versorgung von Kranken.

Mit der Zeit wurde die Krankenpflege mehr als nur Ausdruck der Nächstenliebe; sie wurde eine kirchlich-juristische Pflicht. Verantwortlich dafür war Kaiser Karl der Große (reg. 768–814 n. Chr.). Er war der erste weltliche Herrscher, der im Rahmen seiner umfassenden Kirchen- und Sozialreformen die Pflege von Kranken und Bedürftigen rechtlich regelte. In seinen Capitularen (königlichen Erlass-Sammlungen) finden sich mehrfach Anordnungen, die die Kirchen und Klöster zur Fürsorge verpflichten. Darin heißt es unter anderem, dass in den königlichen Gütern und Klöstern Hospitäler („xenodochia“) eingerichtet und Kranke gepflegt werden sollen – dies wurde ausdrücklich als Teil der christlichen Pflicht angesehen.

Diese Bestimmungen wurden durch das Konzil von Aachen im Jahr 816 weiter konkretisiert. Auf Anordnung Kaiser Ludwigs des Frommen beriet eine Reichssynode in Aachen über die Reform von Mönchen und Kanonikern. Das Ergebnis war ein Kapitular mit 36 Kanones, das unter anderem die Einrichtung von Hospitälern in Klöstern und Stiften vorschrieb.

Die Sorge für Arme und Kranke galt seitdem als verbindliche Norm innerhalb des Rechtsraums. Die Krankenpflege wurde zu einer offiziell geregelten Aufgabe der Kirche, die in ihrer kanonischen Ordnung fest verankert war und als Teil ihrer geistlichen wie gesellschaftlichen Verantwortung galt. Nach den Capitularen Karls des Großen verbreiteten sich die Xenodochien und Siechenhäuser rasch in den christlichen Gebieten. Reiche Bürger stifteten dafür Klöster, und erhofften sich davon den Erwerb von Verdiensten im Jenseits.

Das Hochmittelalter: Kranke werden in Klöstern behandelt

Ab dem Hochmittelalter (ab 1000 n. Chr.) wurde die caritative Tätigkeit der Kirche stärker strukturiert. Die rasant wachsenden Städte brachten neue soziale Herausforderungen wie Armut, Krankheit und Obdachlosigkeit mit sich. In dieser Zeit entstanden viele städtische Hospitäler, die von kirchlichen Bruderschaften, Stiften oder Orden betrieben wurden. Einer dieser Orden war jener der Antoniter, der sich auf die Pflege von Menschen mit sogenannten „Antoniusfeuern“ (Ergotismus, Vergiftung durch Mutterkorn) spezialisierte. Ein anderer Orden war jener der Johanniter, die Pilgerstätten entlang der Pilgerwege errichteten.

In den Städten widmeten sich ab dem 13. Jahrhundert die Bettelorden, allen voran die Franziskaner und Dominikaner, der Caritas. Sie verzichteten auf Besitz, lebten mitten unter den Armen und setzten sich direkt für die Bedürftigen ein. Ihre Tätigkeit war Ausdruck eines neuen Verständnisses von Armut, das die Nähe zu Christus im Leben der Armen suchte und praktische Hilfe mit spiritueller Begleitung verband.

Im späten Mittelalter übernahmen mehr und mehr die Städte und Gemeinden die Verantwortung für die Armen- und Krankenfürsorge. Dennoch blieb die Kirche in weiten Teilen Europas der wichtigste Träger karitativer Einrichtungen. Besonders in katholischen Regionen war die Verbindung von Seelsorge, Pflege und Armenhilfe fest verankert.

Die Frühe Neuzeit: Städte und Gemeinden übernehmen die Krankenfürsorge

In der Frühen Neuzeit (16.–18. Jahrhundert) prägte das Kirchenkonzil von Trient (1545–1563) die kirchliche Caritas nachhaltig. In dieser Zeit strebte die katholische Kirche unter dem Druck der innerkirchlichen Gegenreformation eine stärkere Kontrolle und Moralordnung auch im sozialen Bereich an. So wurde es etwa zur Pflicht, allen Ketzereien öffentlich abzuschwören. Als Ketzerei (Häresie) wurde jede Lehre oder Meinung angesehen, die von den verbindlichen Glaubenssätzen der Kirche abwich, diese verfälscht, verneint oder eigenmächtig neu auslegte.

Einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte die Aufklärung, die mit neuen geistigen Impulsen in die Gesellschaft eingriff und die Autorität der Kirche als Institution zunehmend in Frage stellte. An die Stelle Gottes trat der Mensch als autonomes Individuum in den Mittelpunkt des Denkens – ein zentrales Prinzip des Humanismus. Es kam zur ersten Säkularisierung der Armenfürsorge (Trennung von Staat und Kirche).

Dennoch behielt die Kirche weiterhin eine wichtige Rolle im karitativen Wirken. Den institutionellen Rahmen ihrer Einrichtungen verlor die Kirche letztendlich im 18. und frühen 19. Jahrhundert mit den Umwälzungen durch die Französische Revolution und die beginnende Industrialisierung. Die Kirche verlor in dieser Umbruchszeit vielerorts ihren Besitz und damit brach auch ein Großteil der über Jahrhunderte gewachsenen caritativen Strukturen weg.

Aus der Caritas wird eine Organisation mit kirchlicher Verankerung

Heute ist die Caritas ein eigenständiger Wohlfahrtsverband unter dem Dach der katholischen Kirche. In Deutschland zum Beispiel ist der von Lorenz Werthmann5.) gegründete Deutsche Caritasverband e. V. ein eingetragener Verein mit Sitz in Freiburg im Breisgau.

In Österreich ist die Caritas kein eingetragener Verein wie in Deutschland, sondern organisatorisch direkt in die Struktur der katholischen Kirche eingebunden. Die Dachorganisation Caritas Österreich, mit Sitz in Wien, koordiniert auf Bundesebene gemeinsame Anliegen, Öffentlichkeitsarbeit und internationale Hilfe – unter anderem im Rahmen von Caritas Europa und Caritas Internationalis.

Die Caritas ist heute:

– unabhängig vom Staat
– nicht gewinnorientiert
– international
– Partner vieler staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen in den Vereinten Nationen und der EU

Die Caritas steht heute für professionelle Sozialarbeit auf Grundlage christlicher Werte – offen für alle Menschen, unabhängig von Herkunft oder Religion. Gleichzeitig bleibt sie kirchlich verankert – ihre Arbeit basiert auf christlicher Sozialethik und dem Leitbild der Nächstenliebe. Als Teil des Netzwerks Caritas Internationalis engagiert sie sich heute in mehr als 160 Ländern in den Bereichen Armutsbekämpfung, Flüchtlingshilfe, Pflege, Bildung, Katastrophenhilfe und Menschenrechtsarbeit.

  1. Eine kleine Kulturgeschichte der Hospitäler, monumente-online.de, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
  2. Papst Siricius, wikipedia
  3. Papst Anastasius I, wikipedia
  4. Benedikt von Nursia, wikipedia
  5. Lorenz Werthmann, wikipedia

Beitragsbild: ©pixabay.com, @falco