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Kompetenz der Sozialbetreuung: Handeln nach dem People-First Ansatz

Unterrichtsfach: Behindertenarbeit


26.10.2025

Definition

People First (auf Deutsch: „Mensch zuerst“) ist eine Selbstvertretungsbewegung von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten (auch Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung genannt). Heute findet dieser Ansatz auch in der Arbeit mit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen Anwendung.

Der Name bringt die Haltung zum Ausdruck:

„Wir sind zuerst Menschen – nicht unsere Behinderung.“

People First hat sich als Selbstvertretungsbewegung auch in unserer Sprache etabliert: Man bezeichnet eine Person nicht als „behinderter Mensch“, sondern spricht respektvoll von einem „Menschen mit Behinderung“. Dadurch wird betont, dass die Behinderung nur ein Teil der Person ist – sie aber in erster Linie ein Mensch mit individuellen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Rechten bleibt.

Mittlerweile haben auch Unternehmen diesen Ansatz für sich entdeckt, und Unternehmensberater vermarkten ihn zunehmend als strategisches Konzept für Unternehmenserfolg. Dass die Idee ursprünglich von und für Menschen mit Behinderungen entwickelt wurde, wird dabei zwar gern verschwiegen, dennoch lässt sich sagen, dass der Ansatz ein Erfolg ist, wenn er sogar einen Weg in die Wirtschaft gefunden hat.

Die Geschichte der People-First-Bewegung

Die Wurzeln der Bewegung liegen in Schweden. Sie begann, als eine Elternorganisation 1960 eine Tagung für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung organisierte, welche später regelmäßig über Jahre hinweg auch in England und Kanada stattfand. Der Name entstand 1974, als eine Gruppe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aus Oregon (USA) selbst die Organisation eines solchen Treffens übernahm.

„Ich habe es satt, geistig behindert genannt zu werden – wir sind zuerst einmal Menschen.“

So entstand der Name People First.

Anliegen und Forderungen von People First

  • Der Begriff „geistige Behinderung“ wird abgelehnt. Stattdessen bevorzugen die Gruppen den Ausdruck „Menschen mit Lernschwierigkeiten“.
  • Gesetze oder Vorschriften dürfen Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht diskriminieren.
  • Alle Menschen haben ein Recht auf Leben.
  • Menschen mit Lernschwierigkeiten werden auch älter und müssen genauso unterstützt werden wie alle anderen alten Menschen auch.
  • Öffentliche Einrichtungen müssen Unterstützung anbieten.
  • Keine Bevormundung
  • Verbreitung der Leichten Sprache: langsames Sprechen, kurze und einfache Sätze, keine Fremdwörter.
  • Selbstbestimmung

Entwicklung in Österreich

  • 2000: Vorträge von Michael Long
  • 2001: Gründung von Vienna People First

Grundsätze:

  • Wir sprechen für uns.
  • Wir entscheiden selbst, was wir wollen und was nicht.
  • Wir sind die Expertinnen für unsere Anliegen.
  • Wir wollen mitbestimmen, wenn es um unsere Angelegenheiten geht.
  • Wir wollen respektvoll behandelt werden.
  • Wir wollen die Unterstützung erhalten, die wir brauchen.

People First organisiert Kurse, Seminare, Veranstaltungen sowie die Teilnahme an Konferenzen (auch international).

Forderungen von Mensch zuerst

1. Arbeit

  • Wir wollen uns aussuchen, wo und was wir arbeiten.
  • Wir wollen mehr „normale“ Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft.
  • Wir wollen das Recht auf Unterstützung am Arbeitsplatz und in der Ausbildung.
  • Wir wollen als richtige Kolleginnen behandelt werden.
  • Wir wollen gerechten Lohn.

2. Wohnen

  • Wir wollen uns aussuchen können, wo und wie wir wohnen.
  • Wir wollen mehr gute Unterstützung, auch in unserer eigenen Wohnung.
  • Wir wollen in Wohneinrichtungen selbst bestimmen, mit wem wir wohnen, wie unser Zimmer aussieht, was wir am Tag machen und wann wir es machen.

3. Partnerschaft und Elternschaft

  • Wir haben das Recht, Beziehungen zu führen und mit unseren Partnerinnen zusammenzuleben.
  • Wir wollen auch heiraten dürfen.
  • Wir wollen Kinder haben dürfen und selbst entscheiden, ob wir Kinder haben oder nicht.

4. Frauen

  • Wir wollen vor Missbrauch und Gewalt geschützt werden. Es soll strengere Strafen für Menschen geben, die uns missbrauchen oder uns Gewalt antun.
  • Es darf nicht erlaubt sein, dass wir sterilisiert werden, ohne dass wir gefragt werden.
  • Wir brauchen Räume, in denen wir Frauen uns treffen können.

5. Freizeit

  • Wir wollen gemeinsam mit anderen Freizeit erleben.
  • Wir wollen Freizeitangebote bezahlen können oder weniger Eintritt zahlen.
  • Wir wollen wissen, welche Freizeitangebote es gibt – deshalb sollen Programme in leichter Sprache geschrieben werden.

6. Gesellschaft und Politik

  • Wir wollen kein Mitleid, wir wollen Akzeptanz.
  • Wir wollen nicht, dass über uns gesprochen wird, sondern mit uns.
  • Wir haben das Recht zu leben – behinderte Kinder sollen nicht getötet werden.
  • Wir wollen mit nichtbehinderten Kindern in Kindergarten und Schule gehen. Wir wollen mit Nichtbehinderten zusammenarbeiten und nicht automatisch in Sonderschulen oder Werkstätten geschickt werden.
  • Wir wollen unsere Rechte kennen und dass sie uns verständlich erklärt werden. Alle wichtigen Gesetze und unsere Rechte sollen auch in leichter Sprache vorliegen, damit wir sie verstehen.

Es wurde ein Forderungskatalog mit verschiedenen Themenbereichen erstellt, der unter anderem diese Punkte enthält.

Quellen:

Weiterführende Literatur zum Thema People First:
Die Mensch-zuerst-Bewegung in Österreich, Zeitschrift der Initiative Minderheiten, stimme.minderheiten.at
Grundsatzprogramm People First, Netzwerk People First Deutschland, menschzuerst.de
Goldene Regeln der People First e.V., Netzwerk People First Deutschland, https://www.menschzuerst.de


Bild: ©pixabay.com, @ktphotography