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Die Grundlagen der Behindertenarbeit

Unterrichtsfach: Behindertenarbeit


01.10.2025


Das Unterrichtsfach Behindertenarbeit gründet auf der systemischen Sichtweise. Sie ist das Fundament, auf dem alle Modelle und Konzepte der Heil-, Behinderten- und Inklusionspädagogik aufbaut.

Verschiedene Modelle in den Disability Studies

In den Disability Studies gibt es drei zentrale Modelle, die unterschiedliche Sichtweisen auf Behinderung verdeutlichen:

  1. Biomedizinisches Modell von Behinderung
    Behinderung wird als individuelles Defizit oder Krankheit verstanden, das / die medizinisch behandelt, geheilt oder kompensiert werden soll oder eben als unheilbar gilt.
  2. Soziales Modell von Behinderung
    Entstanden aus der Behindertenbewegung (z. B. UK in den 1970er/80er Jahren). Behinderung wird nicht primär als individuelles Problem gesehen, sondern als Folge gesellschaftlicher Barrieren, Diskriminierung und mangelnder Inklusion.
  3. Kulturelles Modell von Behinderung
    Dieses Modell rückt Behinderung als Teil kultureller Vielfalt und Identität in den Mittelpunkt. Es versteht Behinderung nicht nur als Defizit oder gesellschaftliches Hindernis, sondern als Ausdruck unterschiedlicher Lebensweisen, die wertgeschätzt werden sollen.

Sichtweisen auf Behinderung

Die psychiatrisch-nihilistische Sichtweise

• eine der ältesten Modelle von Behinderung
• Ursprung liegt in der Psychiatrie des 19. Jahrhunderts
• der Mensch mit Behinderung wird als „Kranker“ gesehen (pathogenetische Haltung)
• psychiatrische Beschreibungen konzentrieren sich nur auf die Defizite und sind oft menschenunwürdig
• Entwicklungsaussichten werden klassifiziert
• Bewertung erfolgt nach IQ-Klassifikationssystemen
• Überpsychiatrisierung

Die psychiatrisch-nihilistische Sichtweise gehört zum biomedizinischen Modell von Behinderung.

Als Vater der modernen wissenschaftlichen Psychiatrie und gleichzeitig der nihilistischen Haltung gegenĂĽber bestimmten Krankheitsbildern gilt Emil Kraepelin. Der psychiatrisch-nihilistischen Haltung liegt vor allem das biomedizinische (pathogenetische) Krankheitsmodell zugrunde. Dieses Modell betrachtet Behinderungen und psychische Erkrankungen primär als Defekte oder irreversible Störungen des Organismus (oder des Gehirns), die chronisch und unbeeinflussbar seien. Diese Sicht fĂĽhrte dazu, dass Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen als „aussichtslos“ betrachtet und eher verwahrt als behandelt wurden.

In der Sozialpsychiatrie stellt man sich gegen die nihilistische Sichtweise. Moderne Ansätze gehen davon aus, dass Menschen – unabhängig von Diagnose oder Einschränkung – Ressourcen haben, Entwicklung erfahren können und Teilhabe verdienen. Die entwicklungspsychologische und systemische Perspektive sind die Antwort auf diesen alten Pessimismus.

Die heilpädagogisch-defizitorientierte Sichtweise

• defizitorientierte Sichtweise (fokussierte sich auf das, was der Mensch nicht kann)
• Der erste Kritiker dieser Denkschule war Heinrich Hanselmann. Er arbeitete zunächst auch nach diesem Modell, empfand es jedoch zunehmend als defizitär und legte die Basis fĂĽr eine ressourcenorientierte Sichtweise.

Auch die heilpädagogisch-defizitorientierte Sichtweise gehört zum biomedizinischen Modell. Der Fokus liegt darauf, dass etwas fehlt oder nicht der Norm entspricht, und dass Erziehung und Förderung dieses Defizit „ausgleichen“ sollen. Der Blick bleibt stark defizitbezogen, auch wenn er nicht so radikal-resignativ ist wie die psychiatrisch-nihilistische Haltung.

In der Heilpädagogik des 19. und 20. Jahrhunderts verstand man Behinderung als Abweichung von der Norm und als ein Defizit, das man – wenn ĂĽberhaupt – durch Erziehung oder Therapie teilweise ausgleichen könne. Der Fokus lag darauf, was Menschen nicht können, statt auf Ressourcen oder Entwicklungspotenzialen. Einer der Väter der heilpädagogisch-defizitorientierten Haltung ist Johann Heinrich Pestalozzi, der zwar als BegrĂĽnder einer humanistischen Pädagogik gilt, dessen Ansätze in der Heilpädagogik jedoch defizitorientiert waren. Im deutschsprachigen Raum trugen Vertreter wie Heinrich Hanselmann (1885–1960) zur Etablierung der Heilpädagogik bei – auch er arbeitete lange mit einer defizitorientierten Haltung, bevor er diese kritisierte und den Boden fĂĽr ressourcenorientierte Sichtweisen bereitete.

Die entwicklungspsychologische Sichtweise

Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess.
Jean Piaget

• Menschen mit und ohne Behinderung haben in ihrer Entwicklung viele Gemeinsamkeiten
• dennoch sind auch Unterschiede in deren Entwicklung zu erkennen: z.B. verlangsamte Sprache oder Ausfälle in bestimmten kognitiven Bereichen
• aber auch Leistungsinseln bzw. Stärken wie z.B. eine besondere Gabe
• Entwicklung ist ein lebenslanger Prozess (Jean Piaget)
• Manche Prozesse werden bei Menschen mit Behinderung erst dann in Gang gesetzt, wenn der Betroffene dazu bereit ist bzw. wenn seine Umwelt ihm die Möglichkeit für diese Entwicklung gibt
• so kann es passieren, dass ein Mensch mit Behinderung die Trotzphase erst in seinen Vierzigern durchlebt.
• Voraussetzung für Entwicklung ist daher eine ständige Wechselwirkung bzw. Interaktion zwischen Individuum und Umwelt

Die entwicklungspsychologische Sichtweise steht dem sozialen Modell am nächsten, mit BrĂĽcken zum kulturellen Modell. Sie geht davon aus, dass Entwicklung möglich ist, wenn die Umwelt passende Bedingungen schafft, und dass Einschränkungen nicht als starres Defizit verstanden werden dĂĽrfen. Behinderung wird hier dynamisch gesehen – als Ergebnis von Interaktion zwischen Person und Umwelt, nicht als festgelegter Mangel.

Jean Piaget gilt als „Vater der Entwicklungspsychologie“, weil er mit seiner Theorie der kognitiven Entwicklung gezeigt hat, dass Denken, Lernen und Verstehen in Stufen verlaufen und sich verändern – also nicht statisch sind. Damit stellte er das Gegenteil zur nihilistischen oder rein defizitorientierten Sicht dar: Entwicklung ist möglich, dynamisch und hängt von Reifung, Erfahrung und aktiver Auseinandersetzung mit der Umwelt ab.

Die triviale Maschine

Eine triviale Maschine ist nach Heinz von Foerster ein System, das sich vollkommen bestimmbar, berechenbar und vorhersagbar verhält. Das bedeutet: Wenn man einen bestimmten Input hineingibt, kommt immer derselbe Output heraus. Es gibt keine Überraschungen, keine Eigenständigkeit, keine Entwicklung.

Eine triviale Maschine lernt nicht und entwickelt sich nicht. Sie reagiert immer mechanisch nach den gleichen Regeln. Darin unterscheidet sie sich grundlegend vom lebenden System (wie dem Menschen), das Erfahrungen sammelt, Bedeutungen gibt, lernt, Muster verändert und sich weiterentwickelt.

Die nichttriviale Maschine

Eine nichttriviale Maschine – ein Begriff, den Heinz von Foerster für lebende Systeme wie den Menschen, aber auch für soziale und psychische Systeme verwendet – unterscheidet sich grundlegend von einer trivialen Maschine.

Nichttriviale Maschinen sind Regulationssysteme, die auf innere und äußere Einflüsse reagieren, aber eben nicht bestimmbar und nicht vorhersagbar sind. Sie sind lern- und entwicklungsfähig, verändern also ihr Verhalten in Abhängigkeit von Erfahrungen, Bedeutungen und Kontexten.

Man kann sie von auĂźen nicht direkt beeinflussen – niemand kann in den „Datensatz“ oder die „Codierungen“ des anderen eingreifen. Was jedoch möglich ist: Impulse setzen, die das System aufgreift und auf seine eigene, autonome Weise verarbeitet. Dabei gilt: Reaktionen können nicht vorhergesehen werden, weil jedes System nach seinen eigenen inneren Strukturen entscheidet.

Die Interaktion zwischen nichttrivialen Maschinen funktioniert deshalb ĂĽber Wechselwirkung und wechselseitige Beeinflussung. Menschen und Gruppen reagieren aufeinander, aber immer auf eine Weise, die nicht linear oder mechanisch berechenbar ist.

Solche Systeme sind dynamisch: Sie verändern sich, sie passen sich an, sie gestalten ihre Umwelt mit. Vorhersagbarkeit existiert nicht – auch wenn Psychiatrie, Medizin, Pädagogik oder Psychologie (z.B. Marketingpsychologie) versuchen, menschliches Verhalten in Prognosen zu fassen. Das Besondere ist: Jedes soziale oder psychische System bleibt autonom und entscheidet selbst, wie es auf Impulse reagiert.

Die systemische Sichtweise

Entstehung / Einordnung

Die systemische Sichtweise ist der entwicklungspsychologischen Sichtweise verwandt:

  • Beide lösen sich vom rein defizitorientierten Denken.
  • Beide betonen, dass der Mensch sich in Interaktion mit seiner Umwelt entwickelt.
  • Beide gehen davon aus, dass Veränderung möglich ist, wenn Bedingungen passen.

Die systemische Sichtweise hat also ähnliche Grundgedanken aufgegriffen und weitergeführt.

Die systemische Sichtweise hat ihre Wurzeln in der Allgemeinen Systemtheorie (Ludwig von Bertalanffy) und in der Kybernetik sowie in den frühen Ansätzen der Familientherapie (Gregory Bateson, Paul Watzlawick, Virginia Satir, Salvador Minuchin u. a.).

Hauptaussagen

Die systemische Sichtweise betrachtet den Menschen nicht als triviale Maschine, sondern als ein lebendes System. Damit ist gemeint, dass der Mensch – im Gegensatz zu einer trivialen Maschine (wie sie Heinz von Foerster beschreibt) – nicht einfach mechanisch auf Reize reagiert, sondern über innere Strukturen verfügt, die bestimmen, wie er wahrnimmt, denkt und handelt.

Jeder Mensch bildet in einem allmählichen Aufbau von Erkenntnissen sein eigenes Bild von seiner Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist keine objektive Realität, sondern eine subjektive Wirklichkeit, die durch Handlungs- und Wahrnehmungsmuster sowie durch Fühl- und Denkgewohnheiten geprägt ist. Der Mensch konstruiert aktiv sein Bild von sich selbst und von seiner Umwelt, er gibt Dingen eine ganz persönliche Bedeutung.

Dabei ist er eine biopsychosoziale Einheit. Das bedeutet: Körper (bio), Seele (psycho) und soziale Umwelt (sozial) sind untrennbar miteinander verbunden. Im biopsychosozialen Modell wird deutlich, dass der Mensch nicht nur biologisch reagiert, sondern in ständiger Interaktion und in Austauschprozessen mit seiner Umwelt steht.

Jean Piaget betonte, dass der Mensch ein aktiver, nach Weiterentwicklung strebender Organismus ist. Deshalb heißt Lehren im systemischen Verständnis auch nicht „Wissen einfüllen“, sondern „Angebote setzen für eigenverantwortliches Lernen“. Jeder Mensch optimiert sein Bild der Wirklichkeit laufend, indem er seine Erkenntnismittel nutzt, ausprobiert und neue Erfahrungen einordnet.

Das lebende System versucht dabei immer ein Gleichgewicht herzustellen zwischen seinen Handlungsstrukturen und den Anforderungen der Umwelt. Nur wenn eine Erfahrung oder ein Verhalten mit Sinn verknüpft werden kann, sind echte Entwicklungsschritte möglich. Darum gilt: Jedes Verhalten hat einen individuellen Sinn, auch wenn dieser für Außenstehende nicht erkennbar ist. Das bedeutet aber nicht, dass ein Verhalten von der Umwelt automatisch als sinnvoll oder wertvoll angesehen wird.

Wird eine Handlung oft genug wiederholt, dann bildet sich daraus ein Muster oder eine Gewohnheit, die irgendwann fast unwillkürlich abläuft. Der Mensch ist damit autonom und abhängig zugleich – ein echtes Paradoxon: Er entscheidet selbst, doch seine Möglichkeiten hängen stark von den Bedingungen seiner Umwelt ab.

Wenn ein lebendes System von einem Impuls betroffen wird, entscheidet es im Sinne seiner inneren Strukturen, wie es reagiert. Nicht die Umwelt bestimmt also direkt das Verhalten, sondern die Entscheidung des Individuums. Eine „konstruktive Beeinflussung“ durch die Umwelt ist nur bedingt möglich, denn es bleibt immer ein eigenständiger Prozess.

Daraus folgt: Jeder Mensch – auch Menschen mit Behinderungen – ist autonom in seinen Handlungen. Zugleich ist er aber auch abhängig von seiner Umwelt. Und weil jede Handlung eine Entscheidung ist, trägt jeder Mensch auch Verantwortung für seine Handlungen und muss die Folgen tragen. Gerade dieses Zusammenspiel von Autonomie, Verantwortung und Abhängigkeit macht die Würde des Menschen aus – und zugleich sein Recht auf Risiko.

Verantwortung bedeutet dabei nicht, dass man alles allein machen muss. Unterstützung und Assistenz sind ebenso Teil einer verantwortlichen Lebensgestaltung. Diese systemische Sichtweise gilt nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle Menschen – auch für Kolleginnen, Chefinnen oder Freundinnen.

Wichtig ist: Die Bewertungskriterien, die jemand hat, wirken immer auch auf andere zurück – besonders auf Menschen mit Behinderungen. Darum ist es für Fachkräfte in sozialen Berufen entscheidend, die eigenen Bewertungskriterien zu reflektieren und weiterzuentwickeln, damit sie wirklich hilfreich für die betreuten Menschen sind. Dazu gehört untrennbar die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Menschenbild.

Aus systemischer Sicht ist jedes Verhalten gut und richtig, solange es der Selbsterhaltung des Systems dient. Was für andere als problematisch wirkt, kann in Wahrheit eine Problemlösungsstrategie sein. Das Individuum ist dabei immer Subjekt und Objekt zugleich: Es wird von seiner Umwelt beeinflusst, ist aber gleichzeitig selbst ein Teil dieser Umwelt.

Wer jedoch einen Menschen nur als Objekt seiner eigenen BedĂĽrfnisse, seiner eigenen Bewertung oder seiner eigenen KontrollbedĂĽrfnisse und MachtansprĂĽche betrachtet, beraubt ihn seiner WĂĽrde.

Die 4 Phasen der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget

Jean Piaget teilt die kognitive Entwicklung von Menschen in vier aufeinander aufbauende Entwicklungsstufen ein:

  1. sensomotorische Phase
  2. präoperationale Phase
  3. Phase der konkreten Operation
  4. formaloperationale Phase 

Bevor die nächste Phase beginnen kann, muss die vorherige Phase abgeschlossen werden. Die Übergänge sind individuell unterschiedlich. Unter gewissen Umständen (z.B. bei Menschen mit Behinderung) kann eine Phase auch erst sehr beginnen (z.B. Trotzphase mit 40). Die Phasen sind universell und kulturunabhängig.

Laut Piaget haben alle Menschen zwei angeborene Tendenzen:

  • Adaption: Tendenz, sich der Umwelt anzupassen. (durch Assimilation und Akkommodation)
  • Organisation: Tendenz, Körper, Geist und Seele zu organisieren

Assimilation: neue Erfahrungen werden in bereits vorhandene Denkmuster eingefĂĽgt (assimiliert)
Akkomodation: bestehende Denkmuster werden verändert, um neue Erfahrungen aufnehmen zu können
Äquilibration: Streben nach Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkommodation. Dadurch entstehen immer stabilere Strukturen des Verstehens.

Einflussfaktoren

  1. Reifung
  2. Aktive Erfahrung
  3. Soziale Interaktion
  4. Streben nach Gleichgewicht

Die kognitive Entwicklung ist kontinuierlich und lebenslang, aber erfolgt immer in den vier beschriebenen aufeinander aufbauenden Phasen.

1. Phase: Sensomotorische Phase (0-2 Jahre)

Je nach Entwicklung der Sinne (senso) und der Bewegung (motorik) erkennt und begreift das Kind neue Erfahrungen.

Merkmale der sensomotorischen Phase:
Egozentrismus und Reflexe: Wahrnehmung des eigenen Körpers (egozentrisch), angeborene Reflexe (Saug-, Schluck-, Greifreflex)
Wahrnehmung der Umwelt : „Alles bin ich.“ Ich (Subjekt) bin von meiner Umwelt (Objekte) nicht getrennt.
Objektpermanenz: Dinge sind auch da sind, wenn sie nicht zu sehen sind.

2. Phase: Präoperationale Phase (2-7 Jahre)

  1. symbolisches, vorbegriffliche Denken (2 – 4 Jahre)
  2. anschauliches Denken (4 – 7 Jahre)

Merkmale der präoperationalen Phase:

Egozentrismus: „Alle Menschen sehen die Welt genauso wie ich, mit demselben Fokus, nämlich auf mir.“ Das Kind kann sich nicht in andere Menschen hineinversetzen.
Erwerb der Sprachfähigkeit
Logische IrrtĂĽmer: Das Kind lernt durch Wahrnehmung, nicht durch Logik, was zu „logischen IrrtĂĽmern“ fĂĽhrt (z.B. „Wenn ich meine Kuscheldecke vergesse, dann regnet es.“)
Antrhopomorphismus: Das Kind gibt Gegenständen menschliche Eigenschaften. (z.B. „Der Teddybär ist traurig, weil er die ganze Nacht allein im Bett bleiben musste.“)
Magisches Denken: z.B. „In der Nacht werden meine Puppen im Puppenhaus lebendig.“
Animismus: z.B. Das Kind hält unbelebte Dinge (Bilder und Träume) fĂĽr real und lebendig. z.B. der „imaginäre Freund“
Zentrierung: ein Merkmal steht im Fokus, nicht der GesamtĂĽberblick. z.B. „In dem hohen Glas ist mehr Saft.“ Es konzentriert sich nur auf die Höhe des Glases (ein Merkmal) und beachtet nicht, dass die Menge des Saftes gleich geblieben ist (GesamtĂĽberblick fehlt).

3. Phase: Konkrete Operationen (7-11 Jahre)

Logisches Denken: Kind kann z.B. im Gedanken einen WĂĽrfel werfen, weil es vorher schon einen WĂĽrfel geworfen hat.
Dezentrierung: Das Kind kann sich in andere Menschen hineinversetzen.
Räumliches Denken

4. Phase: Formale Operationen 

Die höchste Form des logischen Denkens wird erreicht: Mensch kann mit abstrakten Inhalten wie Hypothesen gedanklich umgehen, Probleme systematisch analysieren und theoretisch lösen. Logische Schlussfolgerungen sind möglich.

Die 8 Phasen der Persönlichkeitsentwicklung nach Erik Erikson

„Die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen dauert sein gesamtes Leben an und ist zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen.“
Erik H. Erikson.

Jedes Ereignis kann die Persönlichkeit eines Menschen verändern.

Nach Erikson entwickelt sich die Persönlichkeit durch fortwährende Spannungen zwischen den eigenen Bedürfnissen einerseits und den Erwartungen der Umwelt (Autonomie-Interdependenz) andererseits. Um diese Herausforderung zu bewältigen, muss der Mensch ein Gleichgewicht zwischen inneren Bestrebungen und äußeren Anforderungen finden. In diesem Spannungsfeld formt sich die Persönlichkeit. Konflikte gehören zum Entwicklungsprozess dazu.

Die 8 Phasen der Persönlichkeitsentwicklung

Das Erikson-Stufenmodell beschreibt acht Lebensphasen, in denen jeweils eigene WĂĽnsche und BedĂĽrfnisse auf die Anforderungen der Umwelt treffen. Jede Phase bringt eine Herausforderung mit sich, deren erfolgreiche Bewältigung entscheidend fĂĽr die persönliche Entwicklung ist. Die einzelnen Stufen bauen aufeinander auf, sodass frĂĽhere Erfahrungen das Wachstum und Verhalten in späteren Lebensabschnitten prägen. Diese Entwicklungsaufgaben variieren von Phase zu Phase. Das sind die 8 Phasen des Modells:

Jede Phase stellt eine spezifische Entwicklungsaufgabe dar, deren erfolgreiche Bewältigung wesentlich für die persönliche Reifung ist. Frühere Erfahrungen beeinflussen das Verhalten und das Wachstum in späteren Lebensabschnitten:

  • Phase 1: Urvertrauen vs. Urmisstrauen
  • Phase 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel
  • Phase 3: Initiative vs. SchuldgefĂĽhl
  • Phase 4: Werksinn vs. MinderwertigkeitsgefĂĽhl
  • Phase 5: Identität vs. Identitätsdiffusion
  • Phase 6: Intimität und Solidarität vs. Isolation
  • Phase 7: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption
  • Phase 8: Ich-Integrität vs. Verzweiflung 

1. Phase: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen (1. Lebensjahr)

Merkmale:
Durch eine verlässliche, feinfühlige Zuwendung der Bezugspersonen entsteht ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Folgen:
Werden die Bedürfnisse nach Nähe, Wärme und Fürsorge zuverlässig erfüllt, entsteht ein tiefes Urvertrauen. Das Urvertrauen ist die Grundlage für emotionale Stabilität, Beziehungsfähigkeit und Belastbarkeit im späteren Leben. Bleiben die Bedürfnisse unerfüllt, entsteht Urmisstrauen: Die Umwelt wird als unsicher und unberechenbar erlebt. Das führt langfristig zu Ängsten, Bindungsstörungen oder einem Gefühl innerer Leere.

2. Phase: Autonomie vs. Scham und Zweifel (2. bis 3. Lebensjahr)

Merkmale:
Das Kind möchte selbst entscheiden und Dinge alleine tun. Gleichzeitig erleben sie erstmals klare Grenzen und Regeln, die von den Bezugspersonen gesetzt werden.

Folgen:
Freiräume fĂĽhren zu Selbstvertrauen. Ăśbermäßige Einschränkung, Kritik und BloĂźstellung fĂĽhren zu SchamgefĂĽhlen und Selbstzweifeln. Diese können sich später in einem mangelndem SelbstwertgefĂĽhl oder einem ĂĽbermäßigen BedĂĽrfnis nach Bestätigung Ă¤uĂźern.

3. Phase: Initiative vs. SchuldgefĂĽhl (4. bis 5. Lebensjahr)

Merkmale:
Kinder lösen sich von ihren Eltern. Sie entwickeln Eigeninitiative, stellen Fragen, probieren Neues aus und ĂĽbernehmen kleinere Aufgaben. Es entsteht ein erstes Bewusstsein fĂĽr richtig und falsch.

Folgen:
Ermutigung fĂĽhrt zu einem gesunden GefĂĽhl von Selbstwirksamkeit. Ständige UnterdrĂĽckung oder moralische Bewertung der Handlungen fĂĽhren zu SchuldgefĂĽhlen. Das kann später dazu fĂĽhren, dass eigene WĂĽnsche und Impulse infrage gestellt werden, was langfristig zu Leistungsdruck oder Hemmungen fĂĽhrt.

4. Phase: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl (6. Lebensjahr bis zur Pubertät)

Merkmale:
Das Kind will Dinge selbst gestalten und aktiv an ihrer Umwelt mitwirken. Sie vergleichen sich häufiger mit Gleichaltrigen und nehmen Feedback von Erwachsenen ernst.

Folgen:
Altersgerechte Aufgaben und Anerkennung fĂĽhren zu einem GefĂĽhl von Kompetenz. Fehlt das positive Feedback, entsteht ein GefĂĽhl der Minderwertigkeit. Dasselbe gilt bei ständiger Ăśberforderung. Sie fĂĽhrt zu Selbstzweifeln und Angst vor dem Scheitern.

5. Phase: Identität vs. Identitätsdiffusion (Jugend)

Merkmale:
Suche nach der eigenen Identität. Ausprobieren unterschiedlicher Rollen, Hobbys, Kleidungsstile oder Weltanschauungen. Fokus auf Freundschaften und Vorbilder.

Folgen:
Ein stimmiges Selbstbild fĂĽhrt zu innerer Stabilität, Selbstvertrauen und einem klaren Werteverständnis. Identitätsdiffusion fĂĽhrt zu Unsicherheit, Ăśbernahme unreflektierter Meinungen oder Verhaltensweisen von auĂźen.

6. Phase: Intimität und Solidarität vs. Isolation (junge Erwachse)

Merkmale:
Partnerschaft und der Aufbau sozialer Bindungen stehen im Vordergrund. Erlernen der Fähigkeit, Zeit allein zu genieĂźen und persönliche Freiräume zu wahren.

Folgen:
Stabile Beziehungen fĂĽhren zu einem GefĂĽhl von Intimität. Bleibt diese Entwicklung aus, kann Isolation entstehen. 

7. Phase: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption (mittleres Erwachsenenalter)

Merkmale:
Blick richtet sich auf die Zukunft und die nachfolgende Generation, z.B. Erziehung von Kindern, soziales Engagement oder Wissenstransfer im Beruf (Generativität).

Folgen:
Die Ăśbernahme von Verantwortung fĂĽhrt zur Erfahrung von Sinn. Bleibt diese Erfahrung aus, dreht sich alles nur um die eigene Person, was zu einem GefĂĽhl von Stagnation, RĂĽckzug, Unzufriedenheit oder einer inneren Leere fĂĽhren kann.

8. Phase: Ich-Integrität vs. Verzweiflung (hohes Erwachsenenalter)

Merkmale:
Letzte Phase: LebensrĂĽckschau und Bewertung.

Folgen:
Eine positive RĂĽckschau fĂĽhrt zu Gelassenheit und innerer Ruhe (Ich-Integrität), zur Annahme der eigenen Endlichkeit und dem Empfinden von Sinn und Bedeutung. Ein Leben voller unerfĂĽllter WĂĽnsche, ungelöster Konflikte oder verpasster Chancen kann zu Verbitterung und Verzweiflung fĂĽhren. Gedanken an den Tod können dann eher Angst und Reue anstatt Frieden und Akzeptanz auslösen.

Wohnformen fĂĽr Menschen mit Behinderung im Alter

  • Selbstständiges / Betreutes Wohnen
  • Wohnheim / Wohngruppe
  • Pflegeheim / Altenheim
  • Mehrgenerationenhaus / Inklusive WG

Herausforderungen im Alltag alter Menschen mit Behinderung

  • Doppelte Belastung durch Alter und Behinderung
  • gesundheitliche Verschlechterung
  • Kommunikationsprobleme
  • Verlust sozialer Kontakte
  • steigender Pflegebedarf
  • fehlende Barrierefreiheit
  • eingeschränkte Selbstbestimmung

Themen, die bei Menschen mit Behinderung im Alltag BerĂĽcksichtigung finden sollten

  • Individuelle BedĂĽrfnisse respektieren
  • barrierefreie Umgebung schaffen
  • Pflege- und Betreuungsplanung anpassen
  • soziale Teilhabe fördern
  • Zusammenarbeit mit Angehörigen und Fachpersonal
  • Schulung des Teams im Umgang mit alternden Menschen mit Behinderung

Welche Berufsgruppe ist fĂĽr die Betreuung von alten Menschen mit Behinderung am besten geeignet?

Bei „Menschen mit Behinderung im Alter“ ist die Berufsgruppe am besten geeignet, die sowohl behindertenpädagogische (Kommunikation, Teilhabe, Assistenz, rechtliche Fragen) als auch gerontologische Kompetenzen (Sturzprophylaxe, Demenz, Schmerz, Pflege) mitbringt – das ist die Sozialbetreuung Behindertenarbeit. Als Sozialbetreuung besitzt sie Kompetenzen in Behindertenpädagogik, als Pflegeassistenz zusätzlich Kompetenzen in der Pflege alter Menschen.

Bei vielen älteren Menschen mit Behinderung stehen lebenslang erworbene Besonderheiten, Unterstützungsbedarfe, Kommunikationsformen, rechtliche Fragen (Sachwalterschaft/Erwachsenenvertretung), Teilhabe und Strukturierung des Alltags im Vordergrund, nicht nur klassische geriatrische Themen. Die Behindertenarbeit ist genau darauf spezialisiert, Menschen mit Behinderung über die Lebensspanne zu begleiten, Beziehungen aufzubauen und personenzentriert, ressourcenorientiert und inklusiv zu arbeiten. Im höheren Alter kommen dann altersspezifische Themen dazu, die sich sehr gut durch Fortbildungen, multiprofessionelle Teams oder Zusammenarbeit mit Altenarbeit ergänzen lassen.

Quellen:


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