Unterrichtsfach: Behindertenarbeit
22.09.2025
Formen von Behinderung: Ăśberblick
Menschen mit…
• körperlicher Behinderung
• kognitiver Behinderung / Lernbehinderung
• psychischer Behinderung
• Sinnesbehinderung
• Behinderung durch innere Erkrankungen
Menschen mit körperlicher Behinderung
Von einer körperlichen Behinderung (auch: motorische Behinderung) spricht man, wenn eine Person durch eine dauerhafte Beeinträchtigung des Körpers in ihrer Bewegungsfähigkeit, Haltung oder körperlichen Belastbarkeit für mindestens 6 Monate eingeschränkt ist. Die Beeinträchtigung kann angeboren oder erworben sein – etwa durch Schädigungen des zentralen Nervensystems, der Muskulatur oder des Skeletts.
Körperliche Behinderung nach Schädigungsbereich
- Schädigung des ZNS (Gehirn u/o Rückenmark) (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Querschnittlähmung)
- Schädigung des PNS (Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark) (z.B. Polyneuropathie, Kinderlähmung, Virusbedingte Nervenschädigung)
- Schädigung der Muskulatur (z.B. Muskeldystrophie)
- Schädigung des Knochengerüsts (z.B. Skoliose, Glasknochenkrankheit, Amputationen)
- Schädigung durch chronische Erkrankung od. Fehlfunktionen von Organen (Diabetes, Leukämie, AIDS)
Bewegungsstörungen
Bewegungsstörungen sind immer auch Wahrnehmungsstörungen!
Beispiele:
• Cerebralparese (spastische Lähmungen)
• Muskeldystrophien
• Spina bifida (offener Rücken)
• Multiple Sklerose
Zusammenhang zwischen Bewegung und Wahrnehmung
Bewegung ist immer von Wahrnehmungsprozessen abhängig – etwa Gleichgewicht, Körpergefühl (Propriozeption), Tiefensensibilität und visuelle Orientierung. Wenn die Bewegungssteuerung beeinträchtigt ist, sind meist auch sensorische Rückmeldungen verändert. Umgekehrt kann eine Wahrnehmungsstörung (z. B. fehlende Körperwahrnehmung) zu Bewegungsunsicherheit führen.
Deshalb spricht man oft von einer „körperlich-motorischen Behinderung mit Wahrnehmungsbeeinträchtigung“.
Tonusstörungen
Tonusstörungen sind Auffälligkeiten in der Muskelspannung (Muskeltonus). Der Muskeltonus ist der Grundspannungszustand der Muskulatur, der es dem Körper ermöglicht, Haltung zu halten, Bewegungen zu steuern und auf äußere Reize zu reagieren. Wenn dieser Spannungszustand gestört ist, spricht man von Tonusstörungen.
Man unterscheidet dabei zwei Hauptformen:
🔺 Hypertonus (erhöhter Muskeltonus)
Der Muskel ist zu stark angespannt, selbst in Ruhe.
Merkmale:
- Muskeln fĂĽhlen sich hart oder steif an.
- Bewegungen wirken unnatĂĽrlich, verkrampft oder ruckartig.
- Häufige Begleiterscheinung: Spastik (dauerhafte Muskelanspannung).
- Betroffene können ihre Bewegungen oft nur eingeschränkt oder unter großer Anstrengung ausführen.
Ursachen:
- Schädigungen des zentralen Nervensystems (z. B. bei Cerebralparese, Schlaganfall, Multiple Sklerose).
- Störungen in der Bewegungssteuerung des Gehirns (z. B. bei Basalganglien-Läsionen).
đź”» Hypotonus (verminderter Muskeltonus)
Der Muskel ist zu schlaff oder zu wenig angespannt.
Merkmale:
- Bewegungen sind langsam, kraftlos oder unpräzise.
- Betroffene wirken oft „weich“ oder „kraftlos“ im Körper.
- Es fällt schwer, eine aufrechte Haltung zu halten.
- Kinder mit Hypotonie wirken oft „schlapp“ oder „wie ein nasser Sack“.
Ursachen:
- Schädigungen im peripheren Nervensystem oder der Muskulatur selbst.
- Entwicklungsverzögerungen oder genetische Syndrome (z. B. Down-Syndrom).
- Frühkindliche Hirnschädigungen.
Die motorische Entwicklung
Menschen mit einer Körperbehinderung haben häufig Schwierigkeiten in ihrer motorischen Entwicklung. Das Fundament dieser Entwicklung wird bereits im ersten Lebensjahr gelegt. Sie hängt eng mit der Reifung des Zentralnervensystems zusammen und wird sowohl durch genetische Faktoren als auch durch Umwelteinflüsse (Anlage-Umwelt-Problem) bestimmt. Jede Phase der motorischen Entwicklung baut auf der vorhergehenden auf und dient als Übungsfeld für die nächste. Dabei werden unter anderem Kraft, Muskeltonus und Gleichgewicht weiterentwickelt und verfeinert.
Die Motorik ermöglicht dem Menschen, aktiv mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten und sie zu erkunden. Für ein Kind bedeutet die fortschreitende Entwicklung seiner motorischen Fähigkeiten zugleich einen wichtigen Schritt hin zu wachsender Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
Die vier Phasen der motorischen Entwicklung
Neugeborene (1–3 Monate):
In dieser frühen Phase zeigen Neugeborene vor allem ungerichtete Massenbewegungen, die den gesamten Körper betreffen. Willkürliche Einzelbewegungen sind noch nicht vorhanden. Die Reflexe und tonischen Reaktionen sind jedoch gut ausgeprägt, wie beispielsweise der Greifreflex oder die Schreitreaktion.
Säuglinge (4–12 Monate):
Mit dem Fortschreiten der Hirnentwicklung beginnen die angeborenen Reflexe allmählich zu verschwinden. Das Zusammenspiel einzelner Bewegungen wird differenzierter. Das Kind lernt, gezielt zu greifen, sich aufzurichten und erste Formen der Fortbewegung zu erproben.
Kleinkind (2.–4. Lebensjahr):
In dieser Phase erwirbt das Kind eine Vielzahl neuer Bewegungsformen. Es lernt zu krabbeln, klettern, kriechen, stehen, gehen, laufen, hopsen, springen, werfen, fangen, heben, tragen und zu balancieren. Die Bewegungen werden zunehmend sicherer und koordinierter.
Vorschulalter (4–6 Jahre):
Die bereits erlernten Bewegungsfertigkeiten werden nun geĂĽbt, gefestigt und verfeinert. Erste BewegungsÂkombinationen entstehen, etwa das gleichzeitige Laufen und Springen oder das Fangen und Werfen. Das Kind gewinnt zunehmend an Körperbeherrschung, Geschicklichkeit und Bewegungssicherheit.
Meilensteine der motorischen Entwicklung
- sich von der Rückenlage auf den Bauch drehen, sich wälzen und rollen
- auf dem Bauch kriechen und auf den Händen und Knien krabbeln
- sich aufsetzen
- aufstehen
- freies Aufstehen und Gehen
Die motorischen Fähigkeiten stehen in einer engen Wechselbeziehung zur Wahrnehmung, dem Sozialverhalten, der Orientierung, der Sprache, dem Denken und der Emotionalität. Menschen mit einer unvollständig entwickelten Motorik zeigen daher idR auch eine verzögerte geistige und soziale Reifung. Pädagogische Fachkräfte erkennen frühzeitig einen möglichen Förder- oder Behandlungsbedarf und tragen aktiv dazu bei, dass sich motorische Störungen (und damit auch einhergehende kognitive Entwicklungsverzögerungen) nicht verfestigen.
Abweichungen in der motorischen Entwicklung
Haltungs- und Muskeltonusveränderungen:
Eine unangemessene Muskelspannung kann sich in einer übermäßigen Schlaffheit oder in einer starken Verkrampfung äußern. In der Rückenlage zeigen sich häufig übertriebene Beuge- oder Streckhaltungen. Diese Veränderungen erschweren eine altersgemäße Bewegungsentwicklung.
Mangelhafte oder fehlende Gleichgewichtsreaktionen:
Bei passiven oder aktiven Lageveränderungen – etwa in Bauch- oder Rückenlage, beim Sitzen, im Vierfüßlerstand oder beim Stehen – erfolgen die zum Halten des Gleichgewichts notwendigen muskulären Gegenbewegungen nicht altersentsprechend. Dies führt zu Unsicherheiten in der Körperhaltung und Bewegung.
Asymmetrien der Haltung:
Einseitige Haltungs- oder Bewegungsmuster können darauf hinweisen, dass bestimmte Muskelgruppen stärker oder schwächer beansprucht werden. Diese Asymmetrien beeinträchtigen die harmonische Entwicklung der Motorik.
Entwicklungsverzögerungen in allen Fähigkeiten oder Teilbereichen:
Einige Kinder zeigen allgemeine oder partielle Entwicklungsverzögerungen. Beispielsweise äußern sie keine Laute oder reagieren nicht auf vorgehaltene Gegenstände, was auf eine verzögerte sensorisch-motorische oder kognitive Entwicklung hindeuten kann.
Verdacht auf Störungen der Wahrnehmung oder der Wahrnehmungsverarbeitung (sensorische Integration):
Kinder mit einer beeinträchtigten sensorischen Integration zeigen häufig unsichere oder unangemessene Reaktionen auf Sinnesreize. Dazu gehören fehlende oder überstarke Reaktionen auf Geräusche, Schwierigkeiten bei der Lokalisierung von Schallquellen, überempfindliche Reaktionen auf Berührung oder Unsicherheit bei Bewegungen im Raum – etwa beim Schaukeln oder Drehen.
Spezielle Fragestellungen fĂĽr weiterfĂĽhrende Beobachtungen
- Wie reagiert das Kind auf Bewegungen wie Schaukeln, Wiegen oder Drehen – empfindet es diese als angenehm oder unangenehm?
- Ist das Kind in der Lage, beim Spielen sein Gleichgewicht zu halten – etwa im Sitzen oder beim Krabbeln?
- Zeigt das Kind Freude daran, auf Gegenstände wie Mauern oder Stühle zu klettern?
- Reagiert das Kind positiv auf körperliche Zuwendung, beispielsweise auf Streicheln oder sanfte Berührungen?
- Erkundet das Kind Gegenstände aktiv durch Tasten und Fühlen?
- Wie reagiert das Kind auf verschiedene Formen der Berührung – zeigt es Interesse, Abwehr oder keine Reaktion?
- Verfügt das Kind über ausreichend Kraft, um schwerere Gegenstände vom Boden aufzuheben oder zu tragen?
- Kann das Kind verschiedene Bewegungsformen selbstständig und im Wechsel ausführen, zum Beispiel vom Liegen ins Sitzen und wieder zurück?
- Ahmt das Kind Bewegungen anderer Personen nach?
- Unterstützt sich das Kind beim Sitzen mit den Händen am Boden – vor dem Körper oder seitlich?
- Reagiert das Kind beim Stolpern reflexartig, indem es sich mit den Händen abfängt?
- Lernt das Kind die Teile seines Körpers kennen?
- Stößt es beim Krabbeln und Laufen nicht unnatürlich oft an Ecken oder Kanten?
- Kann das Kind Begriffe wie vorne, hinten, oben, unten unterschieden?
Bedeutung in der Behindertenarbeit
Tonusstörungen treten häufig bei Menschen mit körperlich-motorischen Behinderungen auf, z. B. bei spastischen oder ataktischen Bewegungsstörungen. Sie beeinflussen sowohl die Bewegung als auch die Wahrnehmung und damit oft das gesamte Körpererleben. Gezielte Physiotherapie, Ergotherapie, ganzheitliche Aktivierung durch Sport oder Bewegung, Arbeit, Bildung, Freizeitgestaltung und Basale Stimulation können helfen, den Muskeltonus zu regulieren und Bewegungen besser zu kontrollieren.
Menschen mit kognitiver Behinderung
Geistige Behinderung sind hinterlassene Spuren eines schädigenden Ereignisses, und keine Krankheit.
Unter dem Begriff “Menschen mit geistiger Behinderung” werden Menschen zusammengefasst, die aufgrund einer Hirnschädigung langfristig unterdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten besitzen und zugleich außergewöhnliche affektive Verhaltensäußerungen und besondere psychische Auffälligkeiten zeigen.
Der Begriff “geistige Behinderung” wurde 1950 eingeführt. Bis dahin benutzte man Begriffe wie “Idiotie”, “Blödsinn” oder “Schwachsinn”.
Rechtlich-diagnostische Abgrenzung: Eine geistige Behinderung liegt vor, wenn eine Diagnose bis zum 18. Lebensjahr gestellt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt wird über eine “erworbene Hirnschädigung” gesprochen (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Demenz).
Fachlich wird sie nach den Kriterien der ICD-11 (und bisher der ICD-10 oder DSM-5) diagnostiziert. Drei zentrale Merkmale mĂĽssen gemeinsam erfĂĽllt sein:
- Deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Funktionen
– gemessen z. B. durch einen Intelligenzquotienten (IQ unter etwa 70) oder durch andere psychologische Testverfahren. - Beeinträchtigung der adaptiven Fähigkeiten
– also Schwierigkeiten, Alltagsanforderungen selbstständig zu bewältigen (z. B. Kommunikation, Selbstversorgung, soziale Beziehungen, Arbeit, Verantwortung). - Beginn in der Kindheit oder Jugend
– die Beeinträchtigung besteht seit der Entwicklungsphase, also vor dem Erwachsenenalter.
In Österreich wird der Begriff „kognitive Behinderung“ häufig im pädagogischen und sozialarbeiterischen Kontext verwendet, um personenzentrierte Unterstützung zu planen.
Man unterscheidet in der Regel verschiedene Schweregrade:
- Leicht: IQ etwa 50–69
- Mittel: IQ etwa 35–49
- Schwer: IQ etwa 20–34
- Schwerst: IQ unter 20
Die individuelle Lebenssituation, die vorhandenen Fähigkeiten und die soziale Unterstützung sind ebenso bedeutsam wie der IQ-Wert. Eine kognitive Behinderung beschreibt also nicht den Menschen, sondern nur eine Form der Funktionsbeeinträchtigung, die mit passender Unterstützung oft sehr gut kompensiert werden kann.
Definition des “Begriffs Kognition”
Kognition ist die Summe aller Denk- und Wahrnehmungsvorgänge. Dazu zählen unter anderem Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Planungsfähigkeit, Orientierung, Emotion.
Definition “Affektive Verhaltensäußerungen”
Affekte beziehen sich auf Emotionen, Stimmungen und Gefühle, die Kognition auf geistige Vorgänge wie Wahrnehmen, Denken und Erinnern. Eine Affekthandlung ist eine kurzzeitige Einengung der Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit, die auf andere Menschen überraschend oder verstörend wirkt. Es ist nicht möglich, einen Affekt zu steuern.
Ursachen einer geistigen Behinderung
endogene Faktoren (genetisch oder erblich):
- Erbkrankheiten (z. B. Phenylketonurie – PKU)
- Chromosomen-Besonderheiten (z. B. Down-Syndrom – Trisomie 21)
exogene Faktoren (durch äußere Einflüsse)
- Zerebrale Schädigungen (z. B. perinatale Hirnblutung)
- Unfälle (z. B. Schädel-Hirn-Trauma nach Sturz)
- Hirnschädigung durch Entzündungen (z. B. Meningitis oder Enzephalitis)
- Hirnschädigung durch Vergiftungen (z. B. fetales Alkoholsyndrom – FAS)
- Strahleneinwirkung (z. B. ionisierende Strahlenschäden in der Schwangerschaft)
- Umweltbelastung (z. B. Bleivergiftung)
- Sauerstoffmangel während der Geburt (z. B. perinatale Hypoxie)
- Extreme Frühgeburt (z. B. zerebrale Schädigung durch unreifes Gehirn bei < 28 SSW)
Sauerstoffmangel während der Geburt (z. B. perinatale Hypoxie) und das Fetale Alkoholsyndrom gehören zu den häufigsten exogenen Faktoren, die eine geistige Behinderung verursachen können. Genetische (endogene) Ursachen für eine geistige Behinderung sind relativ selten.
Endogene Faktoren, die zu geistiger Behinderung fĂĽhren
Phenylketonurie (PKU)
Phenylketonurie (PKU) ist eine angeborene Stoffwechselstörung, bei der der Körper die Aminosäure Phenylalanin nicht richtig abbauen kann.
Ursache ist ein genetischer Defekt im Enzym Phenylalaninhydroxylase, das normalerweise Phenylalanin in Tyrosin umwandelt. Wenn dieses Enzym fehlt oder nicht ausreichend funktioniert, sammelt sich Phenylalanin im Blut und im Gehirn an. Diese Anreicherung wirkt giftig auf das Nervensystem und kann die Gehirnentwicklung schwer beeinträchtigen.
Wird die Krankheit nicht früh erkannt und behandelt, führt sie zu einer geistigen Behinderung, Entwicklungsstörungen, Krampfanfällen und Verhaltensauffälligkeiten.
Da PKU heute in den meisten Ländern durch das Neugeborenen-Screening (Fersenbluttest) entdeckt wird, kann sie gut behandelt werden. Die Behandlung besteht aus einer strengen, eiweißarmen Diät und spezialisierten Nahrungsmitteln, die kaum Phenylalanin enthalten.
Down-Syndrom
Das Down-Syndrom (medizinisch: Trisomie 21) ist eine angeborene Chromosomenveränderung, bei der das 21. Chromosom dreifach statt doppelt vorhanden ist.
Menschen mit Down-Syndrom haben also 47 statt 46 Chromosomen in ihren Körperzellen. Diese genetische Besonderheit entsteht zufällig bei der Zellteilung während der Entwicklung der Keimzellen oder in den frühen Stadien der Embryonalentwicklung – sie ist nicht vererbbar im klassischen Sinn und nicht heilbar, aber gut verstehbar und begleitbar.
Die typischen Merkmale sind:
• eine leichte bis mittelgradige intellektuelle Beeinträchtigung,
• charakteristische körperliche Merkmale wie schräg gestellte Augen, kurzer Hals, flaches Gesicht, niedriger Muskeltonus
• und häufig begleitende medizinische Probleme, etwa Herzfehler, Hör- oder Sehbeeinträchtigungen.
Kinder mit Down-Syndrom entwickeln sich langsamer, können aber mit gezielter Förderung, liebevoller Begleitung und medizinischer Unterstützung ein reiches, selbstbestimmtes Leben führen.
FG-Syndrom
FG-Syndrom ist eine seltene, X-chromosomal vererbte genetische Erkrankung, die vor allem durch eine geistige Behinderung, muskuläre Hypotonie, Entwicklungsverzögerung und charakteristische Gesichtszüge gekennzeichnet ist.
Fragiles X-Syndrom
Das Fragile-X-Syndrom ist die häufigste erbliche Form geistiger Behinderung und wird durch eine Mutation im FMR1-Gen auf dem X-Chromosom verursacht, die die Produktion eines wichtigen Proteins für die neuronale Entwicklung stört.
Williams-Beuren-Syndrom
Das Williams-Beuren-Syndrom ist das Resultat einer Deletion auf Chromosom 7 und geht mit einer Kombination aus kognitiven Beeinträchtigungen, herz-kreislaufbedingten Fehlbildungen und einer besonderen, oft kontaktfreudigen Persönlichkeit einher.
Cri-du-Chat-Syndrom
Das Cri-du-Chat-Syndrom (Katzenschreisyndrom) entsteht durch eine Deletion auf Chromosom 5 und ist benannt nach dem katzenähnlichen Schreien betroffener Säuglinge; es führt zu einer geistigen Behinderung, körperlichen Anomalien und Entwicklungsstörungen.
Primäre Mikrozephalie
Die primäre Mikrozephalie ist eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung, bei der das Gehirn und der Schädel deutlich kleiner als normal ausgebildet sind, was zu einer schweren geistigen Behinderung führt.
Morbus Gaucher
Morbus Gaucher ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung, bei der ein Enzymdefekt zur Ansammlung von Fettstoffen in Zellen führt, was Organschäden, Knochenschmerzen und neurologische Beeinträchtigungen verursachen kann.
Rett-Syndrom
Das Rett-Syndrom (atypisch) ist eine seltene, fast ausschließlich bei Mädchen vorkommende neurologische Entwicklungsstörung, die durch Mutationen im MECP2-Gen verursacht wird und nach unauffälliger Frühentwicklung zu einem Verlust erworbener Fähigkeiten, Sprachstörungen und motorischen Auffälligkeiten führt.
FRAXE-Syndrom
Das FRAXE-Syndrom ähnelt dem Fragilen-X-Syndrom, wird jedoch durch eine Mutation im FMR2-Gen verursacht und führt ebenfalls zu geistigen Entwicklungsstörungen, ist jedoch deutlich seltener.
Hennekam-Syndrom
Das Hennekam-Syndrom ist eine sehr seltene, autosomal-rezessive Erkrankung, die zu Fehlbildungen des Lymphsystems, Gesichtsauffälligkeiten und geistiger Behinderung führt.
Nordisches Epilepsiesyndrom
Das Nordische Epilepsiesyndrom (Neuronale Ceroid-Lipofuszinose Typ 8) ist eine genetisch bedingte neurodegenerative Erkrankung, die im Kindesalter beginnt, mit epileptischen Anfällen einhergeht und fortschreitend zu schwerer geistiger und körperlicher Beeinträchtigung führt.
Exogene Faktoren, die zu geistiger Behinderung führen können
Perinatale Hirnblutung
Dabei handelt es sich um Schädigungen des Gehirns, die nicht genetisch bedingt, sondern durch äußere Einflüsse verursacht sind. Eine perinatale Hirnblutung entsteht meist rund um die Geburt, wenn es zu Sauerstoffmangel, Druckschwankungen oder Gefäßverletzungen im empfindlichen Gehirn des Neugeborenen kommt. Besonders gefährdet sind Frühgeborene, deren Blutgefäße noch sehr fragil sind.
Solche Schädigungen können dazu führen, dass sich das Gehirn nicht normal entwickelt, was zu motorischen, kognitiven und sprachlichen Beeinträchtigungen führt. In schweren Fällen entsteht daraus eine geistige Behinderungoder auch eine körperliche Beeinträchtigung wie eine zerebrale Bewegungsstörung (z. B. infantile Zerebralparese).
Infantile Zerebralparese
Die infantile Zerebralparese (ICP) ist eine bleibende Störung der Bewegung und Körperhaltung, die durch eine frühe Schädigung des sich entwickelnden Gehirns verursacht wird – also vor, während oder kurz nach der Geburt.
Der Begriff setzt sich zusammen aus:
• infantil = im Kindesalter entstanden,
• zerebral = das Gehirn betreffend,
• Parese = Lähmung
Die Ursache ist meist eine Schädigung motorischer Hirnareale, zum Beispiel durch Sauerstoffmangel (Hypoxie), Hirnblutung, Infektionen oder starke Frühgeburtlichkeit.
Typische Merkmale sind:
• Muskelsteifheit (Spastik) oder unkontrollierte Bewegungen,
• gestörte Koordination und Haltung,
• teilweise Begleiterscheinungen wie epileptische Anfälle, Sprach- oder Wahrnehmungsstörungen oder intellektuelle Beeinträchtigungen.
Die Schädigung selbst ist nicht fortschreitend, doch ihre Folgen können sich im Laufe der Entwicklung verändern. Durch Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Heilpädagogik und medizinische Unterstützung kann die Selbstständigkeit der betroffenen Personen oft deutlich verbessert werden.
Schädel-Hirn-Trauma
Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) entsteht durch äußere Gewalteinwirkung auf den Kopf, etwa durch einen Sturz, Verkehrsunfall oder Schlag. Dabei kann es zu Verletzungen des Gehirns kommen, etwa Prellungen, Blutungen oder Schwellungen, die die Gehirnfunktion dauerhaft beeinträchtigen.
Wenn ein solches Trauma im frühen Kindesalter auftritt, also in einer Phase, in der das Gehirn noch in der Entwicklung ist, kann es nachhaltige Folgen für die kognitive, emotionale und motorische Entwicklung haben. In schweren Fällen führt dies zu einer bleibenden geistigen Behinderung, häufig begleitet von Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisverlust, Sprach- oder Verhaltensstörungen.
Bei Erwachsenen spricht man bei vergleichbaren Folgen von einer erworbenen Hirnschädigung, nicht von einer geistigen Behinderung, da die geistige Entwicklung zuvor bereits abgeschlossen war.
Hirnschädigung durch Entzündungen
Hirnschädigung durch Entzündungen (z. B. Meningitis oder Enzephalitis) zählt zu den exogenen Faktoren, die zu einer geistigen Behinderung führen können.
Bei einer Meningitis handelt es sich um eine Hirnhautentzündung, bei einer Enzephalitis um eine Entzündung des Gehirngewebes selbst. Beide Erkrankungen werden meist durch Viren oder Bakterien verursacht. Besonders gefährlich sind sie im Säuglings- und Kleinkindalter, weil das Gehirn zu diesem Zeitpunkt noch sehr empfindlich ist.
Die Entzündung kann dazu führen, dass Gehirnzellen geschädigt oder zerstört werden. Dadurch kann die normale Entwicklung des Nervensystems gestört werden, was dauerhafte Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann – etwa in den Bereichen Denken, Sprache, Motorik oder Verhalten. In schweren Fällen entsteht daraus eine geistige Behinderung.
Fetales Aloholsyndrom
Das fetale Alkoholsyndrom (FAS) ist die schwerste Form der sogenannten Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD). Es entsteht, wenn eine schwangere Frau während der Schwangerschaft Alkohol trinkt.
Alkohol gelangt über die Plazenta direkt in den Blutkreislauf des ungeborenen Kindes. Da der Fötus den Alkohol noch nicht abbauen kann, wirkt dieser giftig auf die sich entwickelnden Gehirnzellen und andere Organe. Dadurch kommt es zu dauerhaften Schädigungen des zentralen Nervensystems und der körperlichen Entwicklung.
Typische Merkmale des fetalen Alkoholsyndroms sind:
• Wachstumsstörungen (vor und nach der Geburt)
• charakteristische Gesichtsmerkmale (z. B. schmales Lippenrot, flaches Philtrum, kurze Lidspalten)
• geistige Behinderung oder Lernschwierigkeiten
• Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme
• Impulsivität und soziale Anpassungsschwierigkeiten
FAS ist nicht heilbar, aber vollständig vermeidbar – es entsteht ausschließlich durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft.
Ionisierende Strahlenschäden in der Schwangerschaft
Ionisierende Strahlung (z. B. Röntgenstrahlung, radioaktive Strahlung) kann die Zellen und die DNA des Embryos oder Fötus schädigen. Da sich das Gehirn in der Schwangerschaft sehr schnell entwickelt und Zellen sich rasant teilen, ist es in dieser Zeit besonders empfindlich gegenüber Strahlungseinflüssen.
Ein historisches Beispiel ist die Strahlenexposition nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft dieser Strahlung ausgesetzt waren, zeigten überdurchschnittlich häufig geistige Behinderungen und Mikrozephalie. Ein weiteres eindrückliches Beispiel ist die Strahlenexposition infolge des Atomreaktorunfalls von Tschernobyl. Für Tschernobyl ist das am besten belegte gesundheitliche Folgenmuster bei Kindern jedoch der starke Anstieg von Schilddrüsenkrebs.
Heute sind Schwangere durch strenge Schutzmaßnahmen in der Medizin (z. B. Vermeidung unnötiger Röntgenuntersuchungen) gut geschützt.
Auch durch die Aufnahme von radioaktiven Stoffen über Nahrung, Luft oder Wasser, die sich dann im Körper der Mutter anreichern und über die Plazenta auf das Kind übergehen können, kann das ungeborene Kind eine geistige Behinderung entwickeln. Deshalb sind Frauen in der Schwangerschaft angehalten, auf den Verzehr möglicherweise belasteter Lebensmittel zu verzichten. In Regionen mit vermuteter radioaktiver Kontamination ist immer Vorsicht geboten. Schwangere sollten dort auf den Verzehr von Pilzen, Wildfleisch, Beeren und Fischen aus belasteten Gebieten verzichten, da sich in diesen Nahrungsmitteln radioaktive Isotope wie Cäsium-137 oder Strontium-90 anreichern können. Auch nicht kontrollierte Milchprodukte können in betroffenen Regionen ein Risiko darstellen.
Bleivergiftung
Blei ist ein giftiges Schwermetall, das früher in vielen Alltagsprodukten vorkam – etwa in Farben, Benzin, Wasserrohren oder Keramikglasuren. Wenn Schwangere Blei über Trinkwasser, Staub, Nahrung oder Luft aufnehmen, gelangt es in den Blutkreislauf und kann auch die Plazentaschranke überwinden.
Im Körper reichert sich Blei vor allem in Knochen, Leber, Nieren und im Gehirn an. Besonders das zentrale Nervensystem reagiert empfindlich darauf. Bei ungeborenen Kindern und Kleinkindern, deren Gehirn sich noch entwickelt, kann Blei zu dauerhaften Schädigungen der Nervenzellen führen.
Mögliche Folgen sind:
• verminderte Intelligenzleistung
• Konzentrations- und Lernschwierigkeiten
• Sprachentwicklungsverzögerungen
• Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Impulsivität, Hyperaktivität)
• in schweren Fällen geistige Behinderung
Neben Blei können auch andere Umweltschadstoffe – etwa Quecksilber, Pestizide, Dioxine oder industrielle Lösungsmittel – ähnliche neurotoxische Wirkungen haben.
Impfungen
Impfungen gelten nach aktuellem wissenschaftlichem Stand nicht als exogene Faktoren, die eine Behinderung verursachen.
Es existieren zwar immer wieder Diskussionen und öffentliche Debatten über mögliche Nebenwirkungen von Impfstoffen, insbesondere über neurologische oder entwicklungsbezogene Folgen, doch konnten groß angelegte Studien bisher keinen klaren ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Auftreten von Behinderungen nachweisen. Die frühere Behauptung, die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR) könne Autismus oder geistige Entwicklungsstörungen auslösen, wurde durch wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt und die zugrunde liegende Studie zurückgezogen.
Dennoch ist es wichtig, dass Impfstoffe weiterhin kritisch geprüft und ihre Langzeitwirkungen sorgfältig beobachtet werden, um Nebenwirkungen nicht zu übersehen.
Perinatale Hypoxie
Sauerstoffmangel während der Geburt (z. B. perinatale Hypoxie) gehört zu den häufigsten exogenen Faktoren, die eine geistige Behinderung verursachen können.
Unter perinataler Hypoxie versteht man eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Kindes während der Geburt oder in den unmittelbar davor- oder danachliegenden Phasen. Das kann entstehen, wenn die Plazenta, die Nabelschnur oder die Atmung des Neugeborenen nicht ausreichend funktionieren.
Typische Ursachen sind:
• eine Nabelschnurumschlingung oder ein Nabelschnurknoten,
• eine vorzeitige Plazentalösung oder Plazentainsuffizienz,
• eine sehr lange oder komplizierte Geburt,
• Geburtsstillstand oder starke Wehenbelastung,
• Fehlbildungen oder Infektionen, die die Atmung beeinträchtigen
Wenn das Gehirn in dieser Zeit zu wenig Sauerstoff erhält, kommt es zu einer Minderdurchblutung und Schädigung empfindlicher Nervenzellen. Diese Zellen können sich nicht regenerieren, was zu bleibenden Funktionsstörungen des zentralen Nervensystems führt.
Die Folgen hängen stark von Dauer und Schwere des Sauerstoffmangels ab:
• leichte Fälle können vorübergehende Entwicklungsverzögerungen verursachen,
• schwere Fälle führen häufig zu dauerhaften neurologischen Schäden, etwa zu geistiger Behinderung, Lernstörungen, motorischen Beeinträchtigungen oder einer infantilen Zerebralparese.
Extreme FrĂĽhgeburt
Von einer extremen Frühgeburt spricht man, wenn ein Kind vor der 28. Schwangerschaftswoche geboren wird. In diesem Stadium ist das Gehirn noch nicht vollständig entwickelt, und viele seiner Strukturen – insbesondere die Nervenbahnen, Blutgefäße und die weiße Substanz – sind hochgradig empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen.
Durch die Unreife des Gehirns besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für:
• Hirnblutungen (intraventrikuläre Blutungen),
• Sauerstoffmangel (Hypoxie),
• Entzündungsprozesse,
• oder Infektionen, die das empfindliche Nervengewebe schädigen können.
Solche Schädigungen können zu bleibenden neurologischen Folgen führen, darunter:
• geistige Behinderung oder Lernstörungen,
• motorische Beeinträchtigungen (z. B. spastische Lähmungen bei infantiler Zerebralparese),
• Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen,
• sowie Sprachentwicklungsverzögerungen
Die Überlebenschancen extrem frühgeborener Kinder sind dank moderner Intensivmedizin heute deutlich gestiegen, doch das Risiko bleibender Schädigungen bleibt höher als bei reifgeborenen Kindern. Besonders gefährdet sind Kinder, die unter 1000 Gramm Geburtsgewicht haben oder lange künstlich beatmet werden müssen.
Geistige Behinderung, Kognitive Beeinträchtigung, Lernbehinderung oder einfach nur “Menschen mit Behinderung”?
Viele Organisationen distanzieren sich von dem Begriff “geistige Behinderung”. In Österreich verwendet die Lebenshilfe bevorzugt „intellektuelle Behinderungen“,bei der Caritas wird von „Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung“ gesprochen. Selbstvertretungsorganisationen wie „People First“ lehnen die Bezeichnung „geistig behindert“ ab und sprechen von „Menschen mit Lernschwierigkeiten“.
Bedeutung in der Behindertenarbeit
Ziel ist es, individuelle Fähigkeiten zu fördern, Selbstbestimmung zu ermöglichen und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Die Unterstützung richtet sich nicht allein nach dem gemessenen IQ, sondern vor allem nach den adaptiven Fähigkeiten, also danach, wie gut eine Person den Alltag bewältigen kann. Methoden wie die Persönliche Zukunftsplanung, Unterstützte Kommunikation, Basale Stimulation oder strukturierte Tagesgestaltung helfen, Teilhabe und Lebensqualität zu verbessern.
Da kognitive Beeinträchtigungen sehr unterschiedliche Ursachen haben können – von häufigen genetischen Syndromen wie Trisomie 21, FASD oder Fragilem-X-Syndrom bis hin zu seltenen Erkrankungen wie Rett- oder Hennekam-Syndrom – erfordert die Arbeit in diesem Bereich hohe Fachkompetenz, Einfühlungsvermögen und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Konzepte aus der Behindertenarbeit für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sind unter anderem die Persönliche Zukunftsplanung, Empowerment-Strategien, Lebensweltorientierung, Basale Stimulation, Sozialraumorientierung und TEACCH.
Erworbene Hirnschädigungen, die nicht zu den geistigen Behinderungen gezählt werden
Frühkindlicher Autismus (Autismus-Spektrum-Störung)
ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die vor allem soziale Interaktion, Kommunikation und Verhalten betrifft – nicht zwingend die Intelligenz. Viele autistische Menschen haben normale oder überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten.
Deprivationssyndrome wie Hospitalismus
entstehen durch mangelnde emotionale und soziale Zuwendung in der frühen Kindheit. Die beobachteten Entwicklungsverzögerungen sind reaktiv und nicht notwendigerweise Ausdruck einer intellektuellen Beeinträchtigung. Für ältere Menschen, die sich lange Zeit im Krankenhaus befinden, wird der Begriff Hospitalismus nicht genutzt, er kann aber vergleichbare Folgen durch Isolation, Reizarmut und fehlende Zuwendung entwickeln. In solchen Fällen spricht man eher von institutioneller Deprivation.
Demenz und Schädel-Hirn-Trauma
führen zu sekundären, erworbenen Hirnleistungsstörungen, die erst nach der normalen Entwicklung auftreten. Deshalb spricht man hier von einer erworbenen Hirnschädigung, nicht von einer geistigen Behinderung.
Der Unterschied zwischen einer geistigen Behinderung und einer erworbenen Hirnschädigung liegt vor allen anderen Merkmalen im Zeitpunkt des Auftretens und in der Art der Beeinträchtigung.
Menschen mit Lernbehinderung
Eine Lernbehinderung ist eine andauernde und deutliche Beeinträchtigung der Lern- und Leistungsfähigkeit, die sich schon in der Kindheit zeigt und alle schulischen Lernbereiche betreffen kann. Sie unterscheidet sich von einer vorübergehenden Lernschwäche dadurch, dass sie langfristig besteht, pädagogisch nicht allein durch Nachhilfe oder Übung ausgleichbar ist und mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten verbunden sein kann.
Merkmale einer Lernbehinderung
- Das Lerntempo ist deutlich langsamer als bei Gleichaltrigen.
- Verstehen, Behalten und Anwenden von Wissen bereiten groĂźe Schwierigkeiten.
- Häufig bestehen Probleme beim Lesen, Schreiben, Rechnen und beim abstrakten Denken.
- Lerninhalte mĂĽssen stark vereinfacht, wiederholt und anschaulich vermittelt werden.
- Es treten oft Konzentrationsschwierigkeiten, geringes Selbstvertrauen und Schulangst auf.
Abgrenzung
Eine Lernbehinderung bedeutet nicht automatisch eine geistige Behinderung. Der Intelligenzquotient liegt meist im Grenzbereich zwischen 70 und 85 – also unter dem Durchschnitt, aber oberhalb der Schwelle einer kognitiven Behinderung. Entscheidend ist die Auswirkung auf schulisches Lernen und Alltagsbewältigung.
Ursachen
Die Gründe können vielfältig sein:
- genetische oder neurobiologische Faktoren,
- frühkindliche Entwicklungsverzögerungen,
- chronische Erkrankungen,
- psychische Belastungen,
- ungĂĽnstige Umwelt- oder Lernbedingungen.
UnterstĂĽtzung
In Österreich werden Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderung leider nach wie vor häufig in Sonderschulen gefördert. Ziel ist, individuelle Lernwege zu gestalten, Erfolge zu ermöglichen und Selbstvertrauen aufzubauen. In der Sozialbetreuung liegt der Fokus darauf, auch im Erwachsenenalter durch begleitete Arbeit, angepasste Lernformen und soziale Teilhabe individuelle Entwicklung zu fördern.
Psychische Auffälligkeiten
Der Begriff psychische Auffälligkeiten bezeichnet Verhaltensweisen, Erlebensformen oder emotionale Reaktionen, die vom altersentsprechenden, kulturell oder gesellschaftlich erwarteten Verhalten abweichen und dadurch auf eine mögliche seelische Belastung oder Störung hinweisen können. Eine psychische Auffälligkeit ist keine geistige Behinderung.
Bei dem Begriff “Psychische Auffälligkeiten” handelt es sich nicht um einen diagnostisches Begriff, sondern um einen beobachtenden oder beschreibenden Ausdruck. Er wird häufig in pädagogischen, sozialpädagogischen oder frühdiagnostischen Kontexten verwendet, wenn man zwar auffälliges Verhalten oder emotionales Erleben bemerkt, aber (noch) keine psychiatrische Diagnose stellt.
Zu den psychischen Auffälligkeiten gehören
Depressive Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Desinteresse, Gefühllosigkeit, Antriebslosigkeit, Essstörungen Schlafstörungen.
Manische Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Ethemmung, Redefluss, Euphorie, Größenwahn.
Paranoide Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Halluzinationen und Wahn.
Katatonische Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Echolalie, Stereotypien, Bewegungsstarre (Stupor)
Hypochondrische Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Ängstlichkeit und dauerhaftes jammern und klagen.
Zwanghafte Erscheinungsformen:
psychische Auffälligkeiten sind Zwangsgedanken, Zwangshandlungen und innere Anspannung.
Konversionssyndrom:
psychische Auffälligkeiten sind körperliche Symptome ohne organische Ursache, emotionaler Konfliktbezug und eingeschränkte Krankheitseinsicht.
Verwirrtheit:
psychische Auffälligkeiten sind motorische Unruhe, Orientierungslosigkeit und Konzentrationsstörungen.
Der Unterschied zwischen geistiger Behinderung und psychischer Behinderung
Eine geistige Behinderung liegt vor, wenn eine Diagnose bis zum 18. Lebensjahr gestellt wurde. Eine psychische Behinderung liegt dann vor, wenn jemand aufgrund einer psychischen ERKRANKUNG, die länger als 6 Monate anhält, in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wesentlich eingeschränkt ist.
Menschen mit psychischer Behinderung
Eine psychische Behinderung liegt vor, wenn eine psychische Erkrankung (wie z. B. Depression, Schizophrenie, Angststörung, Borderline-Störung oder Bipolare Störung) dazu führt, dass eine Person langfristig (länger als 6 Monate) oder dauerhaft und wesentlich in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist.
Das bedeutet: Nicht jede psychische Erkrankung ist automatisch eine Behinderung – sie wird erst dann als psychische Behinderung bezeichnet, wenn die Auswirkungen langfristig bestehen und die betroffene Person wesentliche Lebensbereiche wie Arbeit, Wohnen, soziale Beziehungen oder Selbstversorgung nicht mehr ohne Unterstützung bewältigen kann.
Kennzeichen einer psychischen Behinderung
- Denken, Fühlen und Handeln sind über längere Zeit stark beeinträchtigt.
- Es bestehen Schwierigkeiten, den Alltag zu strukturieren und Verantwortung zu ĂĽbernehmen.
- Soziale Kontakte können schwer fallen oder vermieden werden.
- Häufig treten Antriebslosigkeit, Überforderung, Konzentrationsprobleme oder Ängste auf.
- Die Fähigkeit, Arbeit, Ausbildung oder Studium zu bewältigen, ist eingeschränkt.
Rechtliche Grundlage (Ă–sterreich)
In Österreich wird der Begriff Psychische Funkionsbeeinträchtigung im Bundesbehindertengesetz (§ 1 BBG[1]) verwendet. Dort heißt es, dass eine Behinderung vorliegt, wenn die Funktionsfähigkeit voraussichtlich länger als sechs Monate eingeschränkt ist und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wesentlich beeinträchtigt wird.
Das bedeutet: Eine diagnostizierte psychische Erkrankung kann zur Anerkennung einer Behinderung führen, wenn sie zu solchen Einschränkungen führt.
UnterstĂĽtzung und Teilhabe
Menschen mit psychischer Behinderung erhalten in Ă–sterreich UnterstĂĽtzung z. B. durch:
- Sozialpsychiatrische Dienste
- Tagesstrukturen und Beschäftigungsangebote
- betreutes oder begleitetes Wohnen
- Arbeitsassistenz oder Persönliche Assistenz
- Psychotherapie und medizinische Behandlung
Ziel der Behindertenarbeit
Im Mittelpunkt steht die Wiederherstellung von Stabilität, Selbstbestimmung und Teilhabe aber auch die Wiederherstellung der Gesundheit. Psychische Behinderung bedeutet nicht, dass jemand „nicht gesund werden kann“, sondern dass langfristige Unterstützung oder Anpassungen nötig sind, um ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Konzepte aus der Sozialbetreuung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen sind unter anderem die Krisenprävention, Persönliche Zukunftsplanung, Empowerment-Strategien, Salutogenese, Lebensweltorientierung, Biografiearbeit, Recovery-Konzept, Basale Stimulation, Sozialraumorientierung und TEACCH.
Menschen mit Sinnesbehinderung
Von einer Sinnesbehinderung spricht man, wenn eine oder mehrere der Sinnesfunktionen – also Hören, Sehen, Riechen, Schmecken oder Fühlen – dauerhaft und erheblich eingeschränkt sind und diese Einschränkung die Teilhabe am Alltag wesentlich beeinträchtigt.
Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem zwei groĂźe Gruppen:
- Sehbehinderung / Blindheit
– wenn das Sehvermögen auch mit Brille oder anderen Hilfsmitteln deutlich vermindert ist.
– in Österreich gilt jemand als sehbehindert, wenn die Sehschärfe auf dem besseren Auge trotz Korrektur nicht mehr als 30 % beträgt,
und als blind, wenn sie unter 5 % liegt oder kein Lichtempfinden vorhanden ist. - Hörbehinderung / Gehörlosigkeit
– wenn das Hörvermögen so stark eingeschränkt ist, dass Sprache ohne Hörhilfen nicht mehr verstanden werden kann.
– eine Hörbehinderung liegt vor, wenn der Hörverlust über 40 Dezibel (dB) auf dem besseren Ohr beträgt;
bei Gehörlosigkeit liegt der Hörverlust meist über 90 dB.
Andere Sinnesbeeinträchtigungen – etwa des Geruchs-, Geschmacks- oder Tastsinns – kommen seltener vor und werden meist nur dann als Sinnesbehinderung bezeichnet, wenn sie erheblich und dauerhaft das Leben, die Orientierung oder Kommunikation beeinträchtigen.
Eine Sinnesbehinderung kann angeboren, frühkindlich oder im Laufe des Lebens erworben sein. Entscheidend ist, wie stark sie die Wahrnehmung, Kommunikation, Orientierung und Selbstständigkeit beeinflusst.
Ziel professioneller Unterstützung ist immer, durch Hilfsmittel, Barrierefreiheit, Kommunikationstechniken und soziale Teilhabe ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
• Schwerhörigkeit / Gehörlosigkeit
• Fehlsichtigkeit / Blindheit
• Taubblindheit
Bedeutung in der Behindertenarbeit
In der Behindertenarbeit steht bei Menschen mit Sinnesbehinderung die Förderung von Wahrnehmung, Kommunikation, Orientierung und Selbstständigkeit im Mittelpunkt. Fachkräfte unterstützen Betroffene dabei, Barrieren abzubauen, Hilfsmittel effektiv zu nutzen und soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Zu den zentralen Aufgaben der Behindertenarbeit gehören das Erlernen und Anwenden von Kommunikationsformen wie Gebärdensprache, taktile Gebärdensprachen oder Brailleschrift, die Begleitung bei der Nutzung technischer Hilfsmittel (z. B. Hörgeräte, Bildschirmleseprogramme, Vibrationssysteme), sowie die Förderung von Orientierung und Mobilität im Alltag. Ebenso wichtig ist die soziale und emotionale Unterstützung, da viele Menschen mit Sinnesbehinderung durch fehlende Barrierefreiheit und eingeschränkte Kommunikation Gefahr laufen, isoliert oder missverstanden zu werden.
Die Fachkräfte schaffen daher Rahmenbedingungen für Teilhabe und Inklusion, indem sie Betroffene in der Arbeitswelt, im Bildungsbereich und im sozialen Umfeld begleiten, sensibilisieren und vernetzen. Ziel ist es, Menschen mit Seh-, Hör- oder kombinierter Sinnesbehinderung ein selbstbestimmtes, gleichberechtigtes und erfülltes Leben zu ermöglichen.
Konzepte aus der Sozialbetreuung für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen sind unter anderem die kommunikationsorientierte Begleitung, Orientierungstraining, Sozialraumorientierung, Unterstützte Kommunikation, Teilhabe durch Assistenz.
Menschen mit einer Behinderung durch innere Erkrankungen
Als Behinderung durch innere Erkrankungen gelten alle chronischen oder dauerhaften Krankheiten innerer Organe oder Stoffwechselsysteme, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wesentlich beeinträchtigen. Es handelt sich also nicht um akute Krankheiten, sondern um langfristige gesundheitliche Einschränkungen, die zu körperlicher, psychischer oder sozialer Beeinträchtigung führen können.
Beispiele für innere Erkrankungen, die als Behinderung anerkannt werden können
Herz- und Kreislauferkrankungen
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
- Herzrhythmusstörungen
- Angeborene oder erworbene Herzfehler
- Zustand nach Herzinfarkt
- Bluthochdruck mit Folgeschäden
Lungen- und Atemwegserkrankungen
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Asthma bronchiale (schwere oder therapieresistente Form)
- Lungenfibrose
- Zustand nach Lungenteilresektion
Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen
- Diabetes mellitus (mit Folgeschäden an Augen, Nieren, Nerven)
- Schilddrüsenerkrankungen mit massiver Funktionsstörung
- Adipositas permagna (krankhafte Fettsucht mit Folgeerkrankungen)
- Morbus Addison, Morbus Cushing oder andere hormonelle Fehlregulationen
Neurologische oder internistische Erkrankungen mit innerem Bezug
- Epilepsie (schwere oder häufige Anfälle)
- Multiple Sklerose (MS)
- Morbus Parkinson
- Muskeldystrophien und andere neuromuskuläre Erkrankungen
Erkrankungen des Blutes und Immunsystems
- Hämophilie (Bluterkrankheit)
- Leukämien (nach erfolgreicher Therapie, wenn Folgen bestehen)
- HIV/AIDS mit Einschränkungen im Alltag
- Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis
Erkrankungen des Verdauungstraktes
- Morbus Crohn
- Colitis ulcerosa
- Leberzirrhose
- Zustand nach Organtransplantation
Nieren- und Harnwegserkrankungen
- Chronische Niereninsuffizienz (Dialysepflicht)
- Zystennieren
- Blasenerkrankungen mit Inkontinenz oder Katheterabhängigkeit
Rechtlicher Hintergrund (Ă–sterreich)
Nach § 1 Bundesbehindertengesetz (BBG)[1] liegt eine Behinderung vor, wenn eine körperliche, geistige, psychische oder Sinnesbeeinträchtigung länger als sechs Monate andauert und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wesentlich einschränkt.
Das gilt ausdrücklich auch für innere Erkrankungen, wenn sie zu dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen führen.
Eine chronische innere Erkrankung wird erst dann zur Behinderung, wenn sie
• dauerhaft besteht
• medizinisch stabil diagnostiziert ist und
• das alltägliche Leben, Arbeit, Mobilität oder Selbstständigkeit merklich einschränkt
Bedeutung in der Behindertenarbeit
Sozialbetreuerinnen und Behindertenarbeiterinnen haben regelmäßig mit Menschen zu tun, die an chronischen inneren Erkrankungen leiden, auch wenn diese Klientengruppe auf den ersten Blick nicht immer so offensichtlich erscheint wie Menschen mit sichtbaren körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen.
Gerade in der sozialpsychiatrischen, psychosozialen und inklusiven Arbeit überschneiden sich die Lebenswelten häufig. In Bereichen wie:
- begleitetes Wohnen,
- Tagesstruktur und Beschäftigung,
- Rehabilitation und Wiedereingliederung,
- oder ambulante Begleitung bei chronischer Erkrankung
kommen Klientinnen mit inneren Erkrankungen regelmäßig vor. Sozialbetreuerinnen helfen, den Alltag zu strukturieren, Selbstständigkeit zu fördern, Arzttermine zu koordinieren, gesundheitsfördernd zu handeln und soziale Kontakte aufrechtzuerhalten.
Auch wenn „Behinderung durch innere Erkrankung“ nicht der klassische Schwerpunkt der Behindertenarbeit ist, gehört sie zum breiten Spektrum der sozialbetreuerischen Praxis. Immer mehr Menschen leben mit chronischen Erkrankungen, und damit wächst auch die Bedeutung dieses Aufgabenfeldes – insbesondere im Hinblick auf Teilhabe, Inklusion und psychosoziale Unterstützung.
Zu den Konzepten der Sozialbetreuung gehören neben den herkömmlichen Maßnahmen auch Gesundheitskompetenz und Psychoedukation, psychosoziale Stabilisierung und Case Management / Hilfeplanung.
Quellen:
[1] Bundesbehindertengesetz, § 1, Ziel“, RIS
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